Der Kommodifizierung mit Digitalisierung und Massenindividualisierung begegnen

Kommodifizierung und Margendruck sind zentrale Herausforderungen für viele Marken und Fertigungsbetriebe. Der globale Wettbewerb erodiert Wettbewerbsvorteile für massengefertigte Industrie- und Konsumgüter. Mehr und mehr Marktteilnehmer:innen sind in der Lage das gleiche Produkt in der geforderten Qualität zu ähnlichen oder besseren Kosten liefern zu können. Der hohe Reifegrad vieler Produkte führt dazu, dass die übliche Reaktion – neue Funktionalität zu entwickeln und die Qualität noch weiter zu steigern – an ihre Grenzen stößt: Verbesserungen am Produkt schaffen keinen zusätzlichen Mehrwert für Kund:innen mehr, was zu einer Kommodifizierung des Produkts führt. 

Die Massenindividualisierung – im Englischen als mass-customization bekannt – von Konsum- und Industrieprodukten ist ein Weg, um neue Wettbewerbsvorteile zu schaffen und der Kommodifizierung entgegenzutreten. Individualisierung steigert den Wert des Produktes für einzelne Verbraucher:innen oder Industriekund:innen. So wird beispielsweise eine maßgeschneiderte Brille in Form an das Gesicht und im Design an den Geschmack der Kund:innen angepasst. In der Industrie werden die Kühleigenschaften von Formwerkzeugen anwendungsspezifisch angepasst. Massen- bezieht sich auf die Fähigkeit, Individualisierung im industriellen Maßstab durchzuführen. Massenindividualisierung ist ein zentrales Ziel von Industrie 4.0, in der sie auch als Produktion von Losgröße-1 bezeichnet wird.  

Individualisierte, kundenspezifische Produkte auf den Markt zu bringen bedeutet, die Beziehung mit den Kund:innen neu zu definieren. Individualisierung erfordert den Austausch von Daten mit den Kunden:innen: diese Daten können die Form eines Gesichts oder anwendungsspezifische Kühlprofile sein. Kundinnen sind keine passiven Empfänger:innen des Produkts mehr. Sie nehmen aktiv am interaktiven Designprozess jedes einzelnen Produkts teil. Die Grundlage kundenindividueller Produkte ist ein Datenaustausch, der zur Digitalisierung und neuen digitalen Geschäftsmodellen überleitet. 

Unternehmen sowohl im Verbraucher- als auch im Industriemarkt müssen mit einer Transformation auf diesen drei Ebenen reagieren: 

  • Transformation des Geschäftsmodells: Massenindividualisierung unterscheidet sich grundlegend von der Serienfertigung standardisierter Produkte und betrifft alle Aspekte eines Betriebs
  • Implementierung neuer Technologien:
    • Physisch: Fertigungstechnologien wie die additive Fertigung unterstützen Massenindividualisierung ohne zusätzliche Kosten
    • Digital: Erfassung und Verarbeitung von Daten sowie die Interaktion mit dem Kund:innen erfordern neue Werkzeuge, von denen viele heute bereits zur Verfügung stehen
  • Weiterentwicklung der Unternehmenskultur: Transformation von Geschäftsmodellen und die Einführung neuer Technologien erfordern ein Umdenken in der Organisation

Die Technologie für die Massenindividualisierung steht bereit

In diesem Artikel werden wir auf die zweite Ebene, die Technologieebene, tiefer eingehen. Die physische Seite – die Herstellung des eigentlichen, physischen Produkts – überschneidet sich typischerweise mit dem bestehenden Kerngeschäft und damit mit den Stärken und der Expertise der produzierenden Unternehmen. Die digitalen Technologien, um individualisierte Produkte in Masse auf den Markt zu bringen, sind jedoch oft eine gänzlich neue Herausforderung. Mit den zwei folgenden Beispielen für Konsum- und Industriegüter zeigen wir, wie heute verfügbare physische und digitale Technologien die Kundenreise für individualisierte Produkte ermöglichen.

Während die Reifegrade dieser neuen digitalen und physischen Technologien und der gesamten Prozesskette kontinuierlich steigen, befinden sich viele Unternehmen bereits in der Umsetzung oder haben schon bestimmte Prozessschritte in Betrieb. In der Medizintechnik sind chirurgische Schablonen, die heute ein Katalogprodukt vieler Orthopädieunternehmen sind, oder die Zahnschienen von Smile Direct Club Beispiele für massenindividualisierte Medizinprodukte. Brillenfassung gewinnen derzeit an Zulauf: Oprah Winfrey trägt gedruckte Fassungen der du Marke Götti, während Materialise in die virtuelle Anprobeplattform Ditto investiert. Im industriellen Bereich adressieren HP’s Formwerkzeuge für Fasern, Conflux Technology’s Wärmetauscher, konturnahe Kühlformen oder Fertigungsvorrichtigungen kundenspezifische Anwendungsfälle in datenintensive, (semi-) individualisierte Produkte.  

Ist es an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen?

Während die technologischen Grundlagen – additive Fertigung, künstliche Intelligenz, erweiterte Realität, virtuelle Anprobe oder kollaborative Konstruktion und Design – noch relativ neu sind, werden sie heute bereits erfolgreich für Konsumgüter und Industrieprodukte eingesetzt. Die größte Herausforderung für Unternehmen ist das Fehlen einer One-Stop-Lösung, so dass sie gezwungen sind, mit verschiedenen Partnern zusammenzuarbeiten, um die benötigte Lösung zu entwickeln und zu implementieren.  

Diejenigen Unternehmen, die die digitale Transformation ihres Geschäftsmodells und den Einsatz dieser neuen Technologien jedoch meistern, werden mit einer starken wissens- und datengetriebenen Differenzierung sowie einem Vorsprung in die Industrie 4.0 belohnt. 

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Autor

Sebastian Kühn

Als Senior Consultant bei hy berät Sebastian Kühn bei der Konzeption, Validierung und Implementierung von digitalen Geschäftsmodellen. Vor hy war Sebastian als Consultant und Founder besonders im Bereich der Digitalisierung mit neuen innovativen Technologien tätig. Dabei hat er zahlreiche, in Deutschland führende Leuchtturmprojekte im Crossindustry begleiten und führen dürfen. Nach Stationen bei IBM, Bosch, A1 Telekom Austria und als Berater fürs Startups im Bereich künstlicher Intelligenz, sowie auch als Founder unterstützt Sebastian nun mit seinem breitgefächerten Know-How die Kunden von hy beim digitalen Wandel. Sebastian studierte Medieninformatik mit Schwerpunkt Artificial Intelligence an der Beuth Hochschule für Technik in Berlin.