Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle in der Logistikbranche

Die Logistikbranche, einst geprägt von traditionellen Geschäftsmodellen und manuellen Prozessen, steht heute an vorderster Front der digitalen Transformation. Getrieben durch anhaltenden Kostendruck, wachsende Nachhaltigkeitsanforderungen und technologische Fortschritte wird der Sektor zunehmend von digitalen Geschäftsmodellen revolutioniert. Diese Entwicklungen sind nicht nur eine Reaktion auf interne Branchentrends, sondern auch auf die sich wandelnden Erwartungen der Kunden, welche durch die Digitalisierung anderer Lebensbereiche geprägt werden.

Innovative Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), Blockchain und das Internet of Things (IoT) werden immer mehr zum Standard und ermöglichen es Logistikunternehmen, ihre Prozesse effizienter, transparenter und kundenzentrierter zu gestalten. Die Einführung dieser Technologien stellt jedoch auch eine Herausforderung dar: Sie erfordert von den Unternehmen nicht nur finanzielle Investitionen, sondern auch ein Umdenken in der Unternehmenskultur und bei den Geschäftsmodellen.

Wir bei hy leisten seit Jahren unseren Beitrag zur digitalen Transformation in unterschiedlichsten Branchen. Im Folgenden beschreiben wir unsere Erfahrungen aus der Logistikbranche und beleuchten aktuelle Trends und ihren Einfluss auf die Unternehmen. Außerdem geben wir Einblick in mögliche Lösungs- und Innovationsstrategien, die wir bereits erfolgreich bei Kunden angewendet haben. 

Innovationen im Fulfillment 

Wir kennen es alle: Man bestellt eine Ware in einem übersichtlich gestalteten Onlineshop, kann unterschiedliche Versandoptionen transparent vergleichen und hat die Möglichkeit weitere Value-added-Services dazuzubuchen, zum Beispiel Expressversand oder CO2-Ausgleich des Transports. Nach Bestellung erhält man eine auf wenige Stunden genaue Estimated-Time-of-Arrival (ETA) und die Möglichkeit, jederzeit den aktuellen Standort der Ware zu tracken. Vorreiter dieser Entwicklung sind E-Commerce Giganten wie Amazon und Alibaba. Sie entwickeln fortschrittliche digitale Lösungen und Geschäftsmodelle.

Doch ca. 90 Prozent aller Waren wurden ursprünglich per Container verschifft. Legen wir den Fokus auf internationale Logistik und Transport, ist die oben beschriebene Customer Experience fernab der Realität. Sender und Versender haben oft keine Möglichkeit, Angebote unterschiedlicher Anbieter transparent zu vergleichen. Es gibt nur wenige digitale Services und oft fehlt den Logistikern gänzlich die Möglichkeit einer digitalen Buying Journey. Auch während des Transportes ist der tatsächliche Standort des Containers schwer nachzuvollziehen. ETAs sind meistens ungenau.

Startups und technologische Innovation

Viele traditionelle Logistiker können den gestiegenen Kundenerwartungen nicht nachkommen. Immer mehr Startups drängen mit innovativen, digitalen Geschäftsmodellen auf den Markt und revolutionieren die Branche. Diese jungen Unternehmen sind oft agiler, risikobereiter und stark technologieorientiert, was sie zu ernsthaften Konkurrenten für traditionelle Logistikdienstleister macht. 

Unsere Analyse zeigt eine signifikante Zunahme der Startup-Finanzierungen seit 2015, mit einem Höhepunkt im Jahr 2021, gefolgt von einem Rückgang in den darauffolgenden Jahren. Diese Entwicklung ist teilweise auf die wirtschaftliche Erholung nach der ersten Welle der COVID-19-Krise zurückzuführen. Die Pandemie beschleunigte die Digitalisierung in vielen Branchen, wobei Technologien wie KI, Cloud Computing, E-Commerce und Remote Working einen Boom erlebten. Dies steigerte das Interesse an technologieorientierten Startups. Zudem profitierten Startups von reichlicher Kapitalverfügbarkeit und einem attraktiven IPO-Markt, was ein förderliches Investitionsumfeld schuf und insbesondere in der Logistikbranche zu Investitionsrekorden führte.

Trotz der anhaltend soliden Investitionsniveaus deutet der Trend seit 2021 auf eine Abschwächung hin. Die jüngsten globalen wirtschaftlichen Unsicherheiten, einschließlich Inflation und Zinswende, haben zu einem spürbaren Rückgang der Geldflüsse geführt. Diese Faktoren beeinflussen die Finanzierungslandschaft und stellen sowohl Herausforderungen als auch Chancen für Startups und etablierte Unternehmen in der Logistikbranche dar.

Unsere Analyse der Investitionsschwerpunkte zeigt, dass digitale Buchungsplattformen und Lagerverwaltungssysteme die größte Aufmerksamkeit erhalten haben. Diese Technologien sind entscheidend, um die Effizienz und Transparenz in der Logistik zu erhöhen. Autonome Logistiklösungen und Robotik folgen dicht dahinter und spiegeln den Trend zur Automatisierung wider. Hierdurch können Betriebskosten gesenkt und die Zuverlässigkeit gesteigert werden. Echtzeit-Visibilität, auch Real-Time Transportation Visibility Plattformen, ermöglichen es, den Standort und Zustand von Sendungen jederzeit nachzuverfolgen. Die hierunter fallenden Startups haben ebenfalls erhebliche Investitionen angezogen. Schließlich zeigt der digitale Zwilling der Lieferkette, ein digitales Abbild der physischen Prozesse, Potenzial für präzise Analysen und Optimierungen. Diese Investitionen verdeutlichen den starken Fokus der Branche auf digitale Plattformen und Automatisierung, um den gestiegenen Kundenerwartungen und dem Wettbewerbsdruck gerecht zu werden.

Plattform-basierte Geschäftsmodelle

Wie beschrieben, gibt es eine zunehmende Zahl von plattform-basierten Geschäftsmodellen. Diese Plattformen erleichtern die Buchung und Koordination über eine Vielzahl von Dienstleistern hinweg und ermöglichen eine größere Transparenz und Kosteneffizienz. Sie haben nicht nur die Art und Weise, wie logistische Dienstleistungen angeboten und nachgefragt werden, sondern auch die Marktstrukturen nachhaltig beeinflusst.

Obwohl digitale Plattformen das Potenzial haben, die Logistikbranche grundlegend zu verändern, haben sie bisher nicht die gleiche Dominanz erreicht wie in B2C-Märkten. Die Gründe dafür liegen in der Komplexität der Branche, den bestehenden traditionellen Strukturen und technologischen Herausforderungen. Die Integration von Technologien wie KI, Blockchain und IoT in Logistikplattformen ist sowohl zeit- als auch ressourcenintensiv. 

Der Erfolg vieler neuer Logistik-Startups hängt stark von ihrer Fähigkeit ab, innovative Technologien einzusetzen und echte Probleme in der Lieferkette zu lösen. Effizienzsteigerung durch Automatisierung, verbesserte Routenplanung und die Reduktion von Leerfahrten sind nur einige der Vorteile, die durch diese Plattformen ermöglicht werden. Startups, die in der Lage sind, solche Lösungen zu bieten, können sich auch in einem hart umkämpften Markt behaupten.

Connected Supply-Chain und Echtzeit-Visibilität

Die Connected Supply-Chain und die damit verbundene Echtzeit-Visibilität sind entscheidende Entwicklungen in der Logistikbranche. Sie ermöglichen es Unternehmen, die Bewegungen ihrer Güter in Echtzeit zu überwachen und zu steuern. Dies führt zu einer erheblichen Verbesserung der Effizienz und Kundenzufriedenheit.

Als technologischer Enabler dieses Trends gilt zum einen der Übergang von EDI zur API. Electronic Data Interchange (EDI) führt beim Datenaustausch oft zu Verzögerungen von bis zu 24 Stunden. Durch die Einführung von APIs (Application Programming Interfaces) wird Echtzeit-Tracking möglich, was eine sofortige Sichtbarkeit und schnellere Reaktionszeiten ermöglicht. Zum anderen werden IoT-Geräte zunehmend erschwinglich und verfügbar. Diese Geräte können an Transportmitteln oder direkt an der Ware angebracht werden und ermöglichen eine lückenlose Standort- und Zustandsüberwachung in Echtzeit.

Grundsätzlich unterscheiden wir zwei operative Anwendungsfelder:

Real-Time Transportation Visibility Plattformen: Startups wie Project44 und FourKites bieten Echtzeit-Visibilität unabhängig von der tatsächlichen Logistikleistung. Hierfür aggregieren sie Daten verschiedener Quellen, zum Beispiel Terminals und LKW-Telematics, entlang der gesamten Logistikkette. Sie stellen die Datenhoheit und Datenqualität der Logistiker in Frage und tragen dazu bei, dass traditionelle Logistikdienstleister zunehmend austauschbar werden. Versendern ermöglichen sie eine vollständige Übersicht über ihre Waren und erhöhte Planungssicherheit.

Logistikunternehmen: Immer mehr innovative Unternehmen statten ihre Container und Transportmittel mit IoT-Geräten aus. Sie schaffen so Visibilität als Premium Service für ihre Kunden und fordern das Geschäftsmodell der Real-Time Transportation Visibility Plattformen heraus. Die Entwicklung hin zu einer vernetzten, transparenten und in Echtzeit steuerbaren Lieferkette ist ein wesentlicher Treiber für die digitale Transformation in der Logistikbranche.

Gelöscht:

#hythought:

Transport- und Logistikunternehmen können ihren Wertbeitrag durch gezielte Positionierung auf der Digital Smiling Curve verbessern.

 

Lösungsansätze für etablierte Unternehmen

In diesem sich schnell wandelnden digitalen Umfeld stehen etablierte Logistikunternehmen vor der Herausforderung, sich an neue Marktanforderungen anzupassen. Hier sind drei strategische Ansätze, wie traditionelle Logistikunternehmen auf die neuen Herausforderungen reagieren können:

  1. Kundennutzen ins Zentrum der Innovationsaktivität setzen

Unternehmen sollten sich darauf konzentrieren, das Kundenerlebnis durch den Einsatz digitaler Technologien tatsächlich zu verbessern. Dies umfasst die Optimierung der Benutzeroberflächen, die Personalisierung von Dienstleistungen und das Angebot von Self-Service-Optionen. Dienstleistungen und Produkte müssen schnell an die sich ändernden Bedürfnisse der Kunden angepasst werden können. Durch Value Adding Services, wie erweiterte Analytikdienste, Lieferkettenoptimierung oder Nachhaltigkeits-Lösungen, können Unternehmen zusätzlichen Nutzen schaffen.

2.   Eine wertschöpfende Position im digitalen Ökosystem finden

Die Digital Smiling Curve zeigt, dass der größte Wert entweder bei den Enablers oder bei den Orchestrators geschaffen wird. Die Realizers, die eigentlichen Dienstleister, erzeugen weniger Wert. Unternehmen sollten ihre Positionierung innerhalb der digitalen Smiling Curve überdenken, die Stellen identifizieren, an denen sie am meisten Wert schaffen können, und Ressourcen entsprechend allokieren. Es ist dabei möglich, auf allen drei Positionen gleichzeitig erfolgreich zu sein. 

Partnerschaften und Kooperationen mit Enablern oder Orchestratoren im Ökosystem können helfen, innovative Lösungen schneller auf den Markt zu bringen. Zudem können Plattformstrategien entwickelt werden, die es ermöglichen, verschiedene Produkte zu integrieren und einen umfassenderen Service zu bieten.

3.    Technologien gezielt einsetzen

Moderne Technologien sollten nicht nur als Unterstützungsfunktion, sondern als Kern des Geschäftsmodells genutzt werden. Dies beinhaltet die Adoption von KI, IoT, Blockchain und anderen disruptiven Technologien zur Effizienzsteigerung und Kostenreduktion. Unternehmen sollten offen für außerhalb der Branche entwickelte Technologien sein und diese an die spezifischen Bedürfnisse der Logistik anpassen. 

Diese strategischen Ansätze haben wir bei hy bereits mehrfach erfolgreich bei Kunden etabliert. Sie bieten den traditionellen Logistikunternehmen nicht nur die Möglichkeit, sich in einem digital transformierten Markt zu behaupten, sondern auch aktiv die Richtung der Branche mitzugestalten und als Vorreiter in der digitalen Ära zu agieren.

Möchtet Ihr mehr darüber erfahren, wie digitale Geschäftsmodelle die Logistikbranche revolutionieren und welche strategischen Ansätze für Euer Unternehmen optimal sind? Wir unterstützen Euch gerne dabei, innovative Lösungen zu identifizieren und umzusetzen. Kontaktiert uns für weitere Informationen.

Autor

Fabian Pult

Fabian unterstützt unsere Kunden als Consultant im Bereich Innovation & Ventures. Dort beschäftigt er sich vor allem mit der Entwicklung, Validierung und Implementierung innovativer Geschäftsmodelle. Seine vielseitigen Erfahrungen in Konzernen, Beratungen und Start-ups ergänzen hierbei die methodischen und analytischen Fähigkeiten seiner Ausbildung. Nach seinem Bachelor in Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität München schloss er seinen Master in Management & Finance an der Bocconi University in Mailand ab. Vor hy arbeitete Fabian unter anderem in der Restrukturierungsberatung von KPMG, im Business Development einer Interim Management Beratung und unterstützte zwei Start-ups beim Geschäftsaufbau.
220128 - Portrait - Christian Geiss
Autor

Christian Geiss

Als Senior Vice President bei hy unterstützt Christian unsere Geschäftskunden bei der Entwicklung, Validierung und Kommerzialisierung disruptiver Geschäftsmodelle. Bevor er zu hy kam, war er Director Global Business Innovation bei Mercedes-Benz. In dieser Position erfand er „Mercedes.me“, Benchmark für die direkte und digitale Kundeninteraktion, sowie  „CarMesh“, eine Technologie für  KI-basierten Datenaustausch für Fahrzeuge. Als Mitbegründer und CMO von „Car2Go“ qualifizierte sich Christian für Fast-Track-Programme bei Daimler. Vor seiner Karriere bei Daimler gründete er Deutschlands erste Online-Vertriebsplattform zur Wiedervermarktung von Flotten- und Firmenwagen. Christian hat einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre der Universität zu Köln mit den Schwerpunkten Marketing und Informationstechnologie.