Digitalisierung braucht wirtschaftlichen Erfolg
Wirtschaftlich relevante Digitalisierungs-Erfolge sind (noch) selten
Digitalisierung und digitale Transformation stehen heute bei vielen Unternehmen weit oben auf der Agenda. In den vergangenen Jahren wurden eine Vielzahl von Digitalisierungs-Initiativen gestartet und verschiedene Arten von Innovations-Vehikeln aufgebaut, darunter Innovation Hubs, Digital Labs, Inkubatoren, Acceleratoren und Corporate Venture Capital-Einheiten. Doch Meldungen über wirtschaftlich signifikante Digitalisierungs-Erfolge sind bislang die Ausnahme. Viele Initiativen verursachen Kosten, bleiben bisher aber signifikante Umsätze und Returns schuldig. Erste Innovations-Vehikel wurden bereits wieder geschlossen, andere neu ausgerichtet. Ohne die erhofften Effekte gehen aber Kapital und wertvolle Zeit im globalen Innovationswettlauf verloren. Und nicht nur das: Auch die Geduld und die Unterstützungsbereitschaft von Vorstand und Gesellschaftern lassen nach. Damit die mit Elan gestarteten Initiativen nicht ausgebremst werden, muss Digitalisierung erfolgreich sein und einen spürbaren, idealerweise messbaren Mehrwert liefern.
Die Gründe für ausbleibenden Erfolg können sowohl in der konzeptionellen Ausrichtung der Initiativen, als auch in deren Umsetzung liegen. In diesem Beitrag fokussiere ich mich auf die konzeptionelle Ausrichtung. Denn häufig fangen die Probleme bereits damit an, dass nicht präzise definiert ist, was erreicht werden soll. Unscharfe, inkonsistente oder unrealistische Ziele lassen Spielraum für individuelle Interpretationen und falsche Erwartungen. Auf dieser Basis ist es schwierig, zielgenaue und konsistente Strategien zu entwickeln und umzusetzen.
Die Ziele müssen klar sein
Am Anfang muss daher eine klare Zieldefinition stehen. Dabei ist die Palette an möglichen Zielen von Digitalisierungsstrategien breit. Allgemein sind folgende Zielkategorien zu finden: Innovationsziele, strategische Ziele, wirtschaftliche Ziele, kulturelle Ziele und Reputationsziele.
Bei den meisten Digitalisierungs-Initiativen stehen vor allem Innovations- und strategische Ziele im Vordergrund. Seltener werden diese mit konkreten wirtschaftlichen Zielen verbunden, wie zum Beispiel 20 Prozent Digitalumsatz in fünf Jahren. So schwierig es in der Regel ist, den wirtschaftlichen Effekt von Digitalisierungs-Aktivitäten zu prognostizieren, so gefährlich ist es, keine klaren Ziele zu formulieren. Am Ende muss jede Strategie ihren wirtschaftlichen Nutzen nachweisen. Wirtschaftliche Erfolge schützen vor frühzeitigem Abbruch. Auf Dauer werden CEO, CFO und Gesellschafter die Digitalisierung vor allem dann mit vorantreiben, wenn sie mit höherem Umsatz, mehr Gewinn oder einer Wertsteigerung verbunden ist. Auch wirkt sich die wirtschaftliche Relevanz positiv auf die Erreichung der anderen Ziele aus. So sind beispielsweise die Impulse für den kulturellen Wandel umso größer, je wirtschaftlich bedeutsamer die Digital-Aktivitäten sind.
Wirtschaftliche Effekte simulieren
Schon in der Konzeptionsphase spielt die Prognose der wirtschaftlichen Effekte der Digitalisierungs-Aktivitäten eine wesentliche Rolle. Zum einen müssen die wirtschaftlichen Effekte komplett durchdrungen werden hinsichtlich ihrer Wirkung auf KPI, Umsatz, Ergebnis, Cashflow, Rendite, Bilanzierung und Bewertung. Zum anderen hilft das Aufzeigen von positiven wirtschaftlichen Effekten dabei, die Aufmerksamkeit und Unterstützung von CEO, CFO, Aufsichtsrat und/oder Anteilseignern für die Digitalisierungs-Vorhaben zu gewinnen. Insbesondere, wenn erste Digital-Projekte bisher noch keinen Erfolg nachweisen konnten, steht das Thema Digital bisweilen im Verdacht, ein Cost Center, kein Profit Center zu sein.
Viele Unternehmen tun sich mit diesen Prognosen schwer. Dabei können in speziellen Datenmodellen die Auswirkungen unterschiedlicher Umsetzungsstrategien auf wirtschaftliche Zielgrößen wie Umsatz, Gewinn oder Unternehmenswert auf Basis empirischer Daten anschaulich modelliert werden. Eine solche Modellierung eignet sich hervorragend dazu, ein tiefes Verständnis für die Wirkung der unterschiedlichen Strategien zu bekommen, die Ableitung der optimale Strategie auf eine fundierte Grundlage zu stellen, Zielwerte abzuleiten und Entscheidungsträger so einfacher zu überzeugen.
Strategische und finanzielle Ziele müssen kein Widerspruch sein
Im Bereich des Corporate Venture Investing wird die Zielausrichtung häufig auf zwei sich angeblich widersprechende Zieldimensionen reduziert: strategisch oder finanziell. Während „strategische“ Investments darauf gerichtet sind, neue Technologien und Geschäftsmodelle für den Corporate zu erschließen, zielen „financial-driven“ Investments – meist realisiert über Corporate Venture Capital-Fonds oder Investments in externe VC Fonds – primär auf einen Financial Return durch einen späteren Exit ab. Beispiele für finanziell ausgerichtete Corporate VC-Fonds sind Sapphire Ventures, Deutsche Telekom Capital Partners oder BMWs iVentures.
Diese bipolare Sicht deckt jedoch nicht die Breite der Anforderungen von Unternehmen in der Digitalisierung ab. Ebenso wenig, wie wirtschaftliche Effekte außer Acht gelassen werden dürfen, zahlen rein finanziell getriebene Venture Capital-Strategien in besonderem Maße auf die Digitalisierung des Unternehmens ein. Im Rahmen einer Digitalisierungs-strategie muss es vielmehr der Anspruch sein, dass Innovations-, strategischer und wirtschaftlicher Erfolg zusammentreffen, um einen maximalen Gesamterfolg zu erzielen und die digitale Transformation substanziell und nachhaltig voranzubringen. In Branchen, in denen das Internet schon sehr früh eine Rolle spielte, wie Medien oder Handel, kann man heute sehen, dass dies gelingen kann (erfolgreiche Beispiele sind Schibsted, Axel Springer oder Otto) .
Umsetzung über Build, Partner oder Invest
Sind die grundsätzlichen Ziele der Digitalisierung definiert, stellt sich die Frage nach der richtigen Umsetzungsstrategie. Hierfür gibt es drei grundsätzliche Ansätze:
- „Build“, die eigene Entwicklung von digitalen Produkten und Geschäftsmodellen,
- „Partner“, das Eingehen von Partnerschaften mit Startups,
- „Invest“, das Investieren in Startups.
Während der Build-Ansatz auf interne Entwicklung setzt, erschließen die Partner- und Invest-Strategie externe Innovationen über das globale Startup-Ökosystem. Jede dieser Strategien kann ein wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Digitalisierungsstrategie sein. Immer mehr große Konzerne, aber auch große Mittelständler, wie zum Beispiel Viessmann, setzen auch kombinierte Ansätze, setzen also mehrere Strategien parallel ein. Welche Strategie im welchem Fall effektiver ist, hängt von vielen Faktoren ab. Wesentliche Fragen sind: Was soll erreicht werden? Wie schnell soll es erreicht werden? Wie groß sind die vorhandenen Kompetenzen und finanziellen Mittel? Sind diese Fragen beantwortet, lassen sich die wirtschaftlichen Effekte der unterschiedlichen Strategien gut mit Hilfe der beschriebenen Simulationsmethodik modellieren.
Mit Corporate Venture Investing schnell signifikante Digitalisierungs-Erfolge erzielen
Sollen schnell signifikante Digitalisierungs-Effekte erzielt werden und sind finanzielle Mittel ausreichend vorhanden, so zeigen die Erfahrungen mit Modellierungen in verschiedenen Branchen, dass die Investitions-Strategie grundsätzlich sehr effektiv ist und als Turbo für die digitale Transformation wirken kann. Drei wesentlichen Gründe sind hierfür ausschlaggebend:
- Die von Startups entwickelten Technologien und Geschäftsmodelle sind in der Regel innovativer, radikaler und disruptiver als interne Entwicklungen, die sich meistens näher am Kerngeschäft bewegen.
- Je nach Reife des Startups werden etliche Entwicklungsstufen übersprungen, so dass es nicht erst 18 oder 24 Monate dauert, bis die Innovation verfügbar ist.
- Vor allem weiter entwickelte Startups haben schon den proof-of-concept hinsichtlich Technologie, Geschäftsmodell und Gründerteam nachgewiesen, so dass das Risiko eines Scheiterns deutlich geringer ist als bei einer Neugründung.
Durch diese drei Effekte kann die Beteiligung an Startups bereits ab dem Beteiligungszeitpunkt eine spürbare Transformationswirkung in Form von Innovation, neuen Wachstumsquellen oder Startup-Kultur erzeugen, auch wenn die Realisierung dieser Effekte natürlich kein Selbstläufer ist. Dieser unmittelbare Impact hat seinen Preis, der zwar den Cashflow belastet, oft aber nicht das EBIT – ein zusätzlicher, durchaus relevanter Vorteil für ergebnisgetriebene Unternehmen.
Dabei ist die Bandbreite, wie und in welche Startups investiert werden kann, groß. So können Investments in Startups unterschieden werden z.B. nach Phase (Seed / Startup / Growth / Later Stage), Finanzierungsrunde, Technologiesektor, geographische Region oder Anteilshöhe. Da jede Ausprägung einen unterschiedlich starken Effekt auf die definierten Ziele hat, muss eine Corporate Venture Investing-Strategie diese Parameter präzise definieren: wie viel soll in welche Art von Startups investiert werden? So tragen z.B. Minderheitsbeteiligungen in der Frühphase zwar zum Innovationsziel ein, kurzfristig jedoch wenig zur Erschließung neuer umsatzrelevante Geschäftsfelder. Einige Unternehmen haben diese Erfahrung schon gemacht und ihren Investitionsfokus im zweiten Anlauf auf Wachstumsunternehmen in späteren Phasen verlagert, so z.B. die Allianz mit ihrer Investment-Unit Allianz X.
Corporates und Startups können gegenseitig Mehrwerte erzeugen
Gerade größere Unternehmen haben dabei gegenüber Finanzinvestoren einen Vorteil: sie können durch eine partnerschaftliche Zusammenarbeit den Erfolg der Startups selbst steigern, da sie neben der Finanzierung in der Regel über genau die Assets verfügen, die Startups für die Skalierung benötigen wie z.B. Kundenzugang, Vermarktungsreichweite, Branchenexpertise oder Daten. Und je erfolgreicher sich die Startups entwickeln, desto größer ist der Transformationseffekt auf die Unternehmen. Die erzielten Erfolge motivieren zu noch mehr Anstrengungen in diese Richtung. Im Idealfall entsteht eine positive Erfolgsspirale, ein „Value Creation Cycle“.
Genau diese Erfahrungen haben wir bei Axel Springer gemacht. Axel Springer hat früh und konsequent auf die Digitalisierung reagiert und seit Mitte der 2000er Jahre stark in disruptive Startups und Digital Champions investiert. Seitdem sind die digitalen Beteiligungen in mehrfacher Hinsicht der Treibstoff für die erfolgreiche digitale Transformation des Unternehmens: als Treiber des Wachstums, der Profitabilität (80% des operativen Ergebnisses kommen heute aus digitalen Aktivitäten), des Aktienkurses, einer digitalen Unternehmenskultur und einer dezentralen, unternehmerisch geprägten Organisationsstruktur.
Auch andere Unternehmen setzen vermehrt auf Investments in Startup als Treiber für die digitale Transformation. In Deutschland haben schon über 50 börsennotierte, aber auch Familienunternehmen Corporate Venturing-Aktivitäten gestartet. Weltweit nimmt das Volumen an Corporate Venture Investments ebenfalls zu. Heute sind Corporates bereits an rund 20% aller Venture Capital-Deals beteiligt.
Erfolg hängt auch von der Umsetzung ab
Diese wechselseitigen positiven Effekte von Startup-Investments ergeben sich nicht von selbst, sondern müssen mühevoll erarbeitet werden. Auch beim Corporate Venture Investing kommt es zur Erzielung relevanter Erfolge neben der richtigen Strategie auf das passende organisatorische Setup und eine professionelle Umsetzung an. Hier gilt es, früh Konstruktionsfehler zu vermeiden und sich professionell aufzustellen. Wichtige Voraussetzungen einer erfolgreichen Umsetzung sind unter anderem:
- ein geeignetes Vehikel,
- die passende organisatorische Aufhängung,
- das richtige Personal,
- die Identifikation der richtigen Targets,
- die Erfahrung im Umgang mit Startups,
- ein professionelles Beteiligungsmanagement,
- das Realisieren von Mehrwerten für Corporate und Startups.
Fazit
Unternehmen sollten für sich sorgfältig definieren, welche Ziele sie bei der Digitalisierung erreichen wollen. Wirtschaftliche Ziele sollten auf jeden Fall dazu gehören. Als effektive Umsetzungsstrategie kann Corporate Venture Investing dazu beitragen, dass die digitale Transformation – auch wirtschaftlich – ein Erfolg wird.