Anything as a Service
Seit nunmehr 15 Jahren beschäftige ich mich mit den Themen Pricing und Monetarisierung, also Fragestellungen rund um die optimale Umsatzgenerierung mit einem Produkt oder einem Service.
Preismodellinnovationen sind generell sehr selten, da sie mit einer Umstellung vieler (oder aller) Kunden und damit mit hohen Risiken verbunden sind. Die Softwarebranche und gefühlt fast all seine Unternehmen befinden sich jedoch seit Jahren in einer Migration von Lizenzmodellen (mit hohen Einmalinvestitionen für den Kunden) hin zu SaaS-/Abomodellen. Adobe beispielsweise war Vorreiter der „Subscription Economy“ und hat 2013 sehr konsequent sein Produktportfolio von einem damaligen Einmalpreis bis zu $2.600 (je nach Version) auf ein Abomodell in Höhe von meist $52,99 pro Monat umgestellt. Mit Erfolg: Adobes Umsatz verdoppelte sich binnen der anschließenden fünf Jahre, der Aktienpreis verdreifachte sich. Adobe stellte das alte Preismodell 2017 komplett ein und hat heute gut zwölf Millionen Abonnenten.
Mieten statt kaufen – oder „Anything as a Service“
Adobe ist kein Einzelfall. Egal, ob SAP, Microsoft oder Salesforce: an SaaS-Preismodellen führt heute kein Weg mehr vorbei. Viele (deutsche) mittelständische Softwareunternehmen (bei denen ich Dutzende solcher Programme begleitet habe) stecken jedoch noch voll in der Migration weg von On-Premise-Lizenzmodellen und hin zur Cloud-hosted Web-Applikation mit Abo-Abrechnungslogik.
Dieser Wandel vom Kaufen zum Mieten existiert mittlerweile in fast allen Lebensbereichen. Besonders deutlich wird das am Beispiel der Mobilität im urbanen Raum. Wir wohnen in Berlin. Für Kurzstrecken, z.B. Mittagsverabredungen in Büronähe, miete ich mir ein Uber Jump E-Bike, wenn ich eine Tasche dabei habe einen Emmy-Roller, wenn ich zum Flughafen will einen WeShare-E-Golf, und wenn ich es ganz eilig habe eine Free Now-Taxifahrt. Für alle vorstellbaren Mobilitätsanforderungen gibt es mittlerweile eine sinnvollere Lösung als den kapitalintensiven Kauf eines eigenen Automobils.
Immer mehr B2C-Geschäftsmodelle funktionieren mittlerweile nicht mehr als Produktmodelle, sondern als Leih- bzw. Abomodelle: CDs oder iTunes-Songs kaufe ich nicht mehr, da alle Songs in meinem Spotify-Abo enthalten sind. Die Inhalte der DVDs, die ich als Filmfan früher in Massen gekauft habe, finde ich heute bei Netflix, Prime und Sky. Für den (einmaligen) Transport einer neuen Waschmaschine – welche mir bei der Anlieferung nur vor die Haustür gestellt wird – kaufe ich mir heute keine Sackkarre, sondern leihe sie einmalig bei einem Baumarkt. Sackkarre as a Service! ?
CAPEX to OPEX bzw. von Asset-heavy zu Asset-light
Auch im professionellen B2B-Umfeld ist das „CAPEX to OPEX“-Konzept kein Neues, etabliert sich jedoch in immer mehr Branchen und Geschäftsmodellen. Um dessen Vorteil besser zu verstehen, lohnt es, sich die Definition der Begriffe CAPEX und OPEX nochmal genauer anzuschauen: Capital Expenditures bezeichnen größere Anschaffungen eines Unternehmens, die auf langfristige Nutzung ausgelegt sind, also Investitionen. Operational Expenditures hingegen bezeichnen alltägliche Ausgaben, die einem Unternehmen entstehen, um sein Tagesgeschäft aufrechtzuerhalten. Unter die zweite Kategorie fallen auch regelmäßige Ausgaben für Mieten und/oder Leasing von z.B. Maschinen.
Heutzutage sind Renditen für Unternehmer und Investoren aufgrund der erwarteten Änderungen durch zukünftige Technologien und Kundenbedürfnissen deutlich unsicherer als noch vor einigen Jahren. Ein solches Umfeld erfordert erhöhte Flexibilität von Unternehmen und führt dazu, dass eine große Maschine alternativ zur kapitalintensiven Investition (CAPEX) eher gemietet wird (OPEX). Diesen Trend hin zu agileren, „Asset-Light“-Geschäftsmodellen konnte man zuerst bei jungen Unternehmen beobachten: kaum ein Startup käme auf die Idee, in eine Maschine einen sechs- oder siebenstelligen Betrag zu investieren. Das Mietmodell erhöht die Agilität von Unternehmen und damit die Möglichkeit, schneller auf unerwartete Marktänderungen zu reagieren.
Mietmodelle mit Unternehmertum
Schindler verkauft bzw. bepreist schon seit vielen Jahren primär keine Aufzüge und Fahrtreppen mehr, sondern „vertikale Personenkilometer“, Heidelberg keine Druckmaschinen, sondern gedruckte Kartons und Kartonagen, Michelin im Flottengeschäft nicht die Reifen, sondern die damit gefahrenen Kilometer, Kuka an Daimler keine Produktionsroboter, sondern fertig eingebaute Windschutzscheiben – alles über Servicemodelle.
Die Änderung der Abrechnungslogik (regelmäßig statt einmalig) ermöglicht es Adobe, Schindler, Heidelberg, Michelin oder Kuka einen viel stärkeren Bund mit ihren Kunden einzugehen. Während sie beim ausschließlichen Verkauf einer/s Software/Aufzugs/Druckmaschine/Reifens durch die Einmaligkeit der Transaktion nicht in den Betrieb ihrer Güter eingebunden sind, entsteht durch das Dienstleistungsverhältnis (das „Abo“) eine Geschäftsbeziehung mit permanenten Feedbackschleifen zwischen Anbieter und Kunden. Diese können so weit gehen, dass der Kunde nur dann seine regelmäßigen Beiträge bezahlt, wenn das bereitgestellte Gut (z.B. eine Maschine) auch tatsächlich ihren zugesagten Service gemäß im Vorfeld definierter Qualitätskriterien (SLAs; Service Level Agreements) erfüllt. So garantieren z.B. Maschinenbauer durch OPEX-Modelle und SLAs für den unternehmerischen Erfolg ihrer Kunden.
Der CEO und Gründer des IoT-Startups relayr, Josef Brunner, nannte im hy-Podcast den Abfüllprozess von Joghurt in Becher als Beispiel. Die Anschaffung einer solchen Abfüllmaschine stellt für einen mittelständischen Molkereibetrieb ein signifikantes Risiko dar, da unklar ist, ob diese Maschinen in Zeiten kurzlebiger Produktlebenszyklusse und sich schnell ändernder Kundenbedürfnisse in zehn Jahren (oder gar früher) noch mit dem Stand der dann aktuellen Technik mithalten kann. Aufgrund dieser hohen Investitionsunsicherheit (insb. aktuell bei einer langsamer wachsenden Wirtschaft) überlegt es sich ein Unternehmer sehr genau, ob er für einen sechs- oder siebenstelligen Betrag eine neue Maschine kauft oder die bestehende Maschine lieber noch ein, zwei oder fünf Jahre weiterlaufen lässt. Das OPEX-Modell entfernt die Konjunkturrisiken der Investition und bringt zusätzlich den Vorteil, dass der Unternehmer in einer nachfrageschwachen Zeit auch nur je produzierter Einheit bezahlt.
Rückversicherte Predictive Maintenance
Ähnlich wie bei Flugzeugen kostet den Besitzer eine Maschine am meisten, wenn sie nicht in Betrieb oder optimal ausgelastet ist. Daher hat jeder Maschinenparkleiter das Ziel, die Uptime seiner Maschinen zu maximieren und die Downtime so zu planen, dass sie die Produktions- bzw. Arbeitsprozesse minimal beeinträchtigt.
Hier kommt Predictive (oder sogar Prescriptive) Maintenance ins Spiel. Da Maschinenbauer mit dem OPEX-Preismodell an einer hohen Auslastung sowie einer hohen Produktionsmenge ihrer Maschinen interessiert sind (da sie dann zusätzliches Geld verdienen), stellen sie (bzw. Serviceprovider wie relayr) mittels Sensoren und IoT-Technologie sicher, dass die Maschinen effektiver arbeiten, die Abnutzung von Verschleißteilen frühzeitig erkannt wird und die Downtime und Wartung von Maschinen in planbaren Zeitfenstern (z.B. bei Aufzügen in Bürogebäuden nachts statt am Montagmorgen) durchgeführt werden. Durch den Rückgang an ungeplanten Stillständen können am Ende möglicherweise auch entsprechende Rückstellungen reduziert werden, was wiederum zusätzlich gewinnfördernd ist (aber zu diesem Financial-Engineering-Thema überlasse ich lieber anderen Experten die Details). Rückversichert wird z.B. relayr (und damit deren Kunden) durch die Muttergesellschaft HSB, einer Tochter der Munich Re – nur für den Fall, dass der besprochene SLA nicht erreicht wird und eine entsprechende Kompensationszahlung an deren Kunden gezahlt werden muss.
Zusammenfassung: Vorteile von OPEX-Modellen
Wir haben gesehen, dass es sich für viele Unternehmen und Unternehmer lohnen kann, die vermehrt angebotenen OPEX-Modelle, unterstützt durch moderne, Prescriptive Maintenance ermöglichende IoT-Technologien, für sich zu nutzen, z.B. für das Anmieten von Produktionsmaschinen. Diese können folgende Vorteile mit sich bringen:
- Weniger Kapitaleinsatz ( „Asset Light“) und dadurch höhere Eigenkapitalrendite
- Geringere konjunkturelle und technologische Risiken
- Effektivere Nutzung von Maschinen dank IoT und Prescriptive Maintenance
- Garantierte und rückversicherte Servicelevels
Ein letztes Beispiel aus dem Hause relayr, weil es so schön ist – und dann reicht es aber auch damit: La Marzocco, italienischer High-end-Hersteller von Espressomaschinen, verkauft an viele Kunden (insb. Coffee Shops) keine Maschinen mehr, sondern bietet „Espresso-as-a-Service” an, welcher nach Anzahl der gebrühten Espressi bepreist wird und dem Kunden die Garantie bietet, dass mindestens 99% der Espressi gelungen sind. Als guter Kaffeekonsument werde ich die Einhaltung dieses SLA bei meinen nächsten 100 Coffee-Shop-Besuchen mal überprüfen.
Danke!
Ein großes Dankeschön geht an Theresa Dolle, die maßgeblich an diesem Artikel mitgearbeitet hat und der Hauptgrund ist, wieso Sie ihn bis hier gelesen haben.