Wie B2B-Sharing-Plattformen neue Angebote in der Logistik schaffen
Die Ökonomie des Tauschens und Teilens hat sich damit im B2C-Segment etabliert. Produkte, Objekte und Dienstleistungen, die sonst nicht ausreichend genutzt werden, können vorübergehend an andere ausgeliehen oder vermietet werden. Die Betreiber der entsprechenden Plattformen, wie zum Beispiel AirBnB oder Uber, besitzen dabei nur die Kundenschnittstelle, können aber durch den breiten Endkundenzugang die getauschten Waren und Dienstleistungen entsprechend orchestrieren.
Maschinen teilen
Dieser grundlegende Wandel in der Art und Weise, wie Menschen Dinge nutzen, wirkt sich zunehmend auch auf B2B-Märkte aus. Zwar ist es grundsätzlich nichts Neues, dass Unternehmen sich beispielsweise Maschinen teilen. Denn deren Anschaffungskosten waren schon immer hoch. Neue Plattformtechnologien geben ihnen nun aber die Sicherheit, dies nicht nur mit bekannten, sondern auch mit völlig unbekannten Parteien zu tun. Nutzer von zugangsbasierten Geschäftsmodellen zahlen Geld, um über Plattformen auf Dienstleistungen oder Güter einer anderen Partei zugreifen zu können, ohne dass deren Eigentum übertragen wird. Das bringt durchaus Vorteile mit sich, da die Unternehmen beispielsweise die Auslastung ihrer Maschinen verbessern können. Und das ist ein potenziell gigantisches Geschäft. Allein in den USA beläuft sich zum Beispiel der Wert der Investitionsgüter für die Landwirtschaft auf 250 Mrd. USD.
Ohne digitale Technologien sind solche B2B-Plattformen indes nicht möglich. Durch sie können nicht digitale Güter und Systeme anders verarbeitet werden. Sensorik macht die Geräte „smart“, um den Zustand und die Performance abbilden zu können. Das Internet ermöglicht es, sie aus der Ferne zu überwachen. Werden dann auch noch die Daten analysiert, so lassen sich daraus Diagnosen und Prognosen ableiten. Dadurch erhält man einen detaillierten Einblick in das Tagesgeschäft. Man weiß, wo sich Objekte befinden, in welchem Zustand sie sind, wie ihre Auslastung aussieht, ob sie Wartung benötigen oder ob sich möglicherweise ein Problem anbahnt. Dies wirkt sich positiv auf die Effektivität, aber auch auf die Effizienz aus.
In der Logistik wiederum geht es um den flexiblen Zugang zu Dienstleistungen, um Auslastungsschwankungen in der Infrastruktur auszugleichen. Das funktioniert besonders dann, wenn die Angebotsseite stark fragmentiert und der Zugang zu Kapazitäten ineffizient ist. Auch weil die Kosten für den physischen Transport hoch bleiben, können digitale Technologien und Geschäftsmodelle hier helfen, die Kosten für Transaktionen zu senken, Nachfrage zu aggregieren und Lagerung oder Zustellungen zu optimieren.
Auch sehr bekannte Unternehmen widmen sich dieser Idee: Uber Freight, Amzon Freight oder die Manbang Group, vormals Houchebang aus China (1,9 Mrd. USD Risikokapital), versprechen eine Kapazitätsoptimierung. Auch DHL hat mit Saloodo ein Pferd im Rennen. Und in Deutschland versuchen sich MAN und BCG mit dem Unternehmen Loadfox.
Andere Start-ups arbeiten an der Schnittstelle von Lagerung und Logistik. Unternehmen wie Stord (USA, 15 Mio. USD Risikokapital), Flexe (USA, 63,6 Mio. USD Risikokapital), Mospace (Indonesien, unbekannt) oder Stowga (UK, 2,3 Mio. USD Risikokapital) entwickeln Shared- oder On-Demand-Warehousing-Geschäftsmodelle.
Die Unternehmen gehen davon aus, dass bis zu 30 Prozent der Lagerflächen in den USA brachliegen. Deswegen erstellen sie Datenbanken von Lagereigentümern und Mietern, die es ermöglichen, freie Lagerkapazitäten an Dritte zu vermitteln. Bestenfalls geschieht das so flexibel, wie AirBnB freie Schlafplätze zur Verfügung stellt. 1.000 Partner haben bei Flexe zwischen Sommer 2018 und Sommer 2019 bereits Gebote für Lagerflächen abgegeben. Im Sommer 2019 konnte das Start-up so auf ein Netzwerk mit einer Fläche von 2,78 Mio. m² zugreifen.
Mit viel Lob wurde auch der Ansatz von Darkstore (USA, 30 Mio. USD Risikokapital) bedacht. Dessen CEO Lee Hnetinka möchte Same Day Delivery für Marken ermöglichen, die sich online über Social Media oder Websites direkt an ihre Kunden wenden. Junge und kleine Marken sollen jenseits der großen Retail-Plattformen wie Amazon oder Zalando die gleichen Services anbieten können, indem sie über Darkstore Zugang zu Lagerflächen und Fulfillment-Dienstleistungen erhalten. Dafür sollen nicht ausgelastete Flächen in Innenstädten genutzt werden. Im Bestfall erzeugt dies dort mehr Umsatz, weil die Waren nah am Endkunden positioniert werden. Um die Lieferung zu ermöglichen, nutzt Darkstore diverse Drittanbieter wie das Start-up Deliv (USA, 85 Mio. USD Risikokapital) oder reguläre Speditionen.
Die neuen Angebote richten sich besonders an schnell wachsende Unternehmen, die nah an den Endkunden rücken wollen. Dafür wird Zugriff und Zugang zu flexiblen Lagerkapazitäten und Fulfillment-Aktivitäten benötigt. Durch die oben genannten Angebote müssen Unternehmen nicht mehr zwingend große Anfangsinvestitionen stemmen, sondern können die Dienstleistungen einfach buchen oder stornieren – je nach steigender oder fallender Nachfrage. Verbraucher erhalten im Gegenzug eine höhere Qualität und mehr Optionen, da die Dienstleister sich mit ihren Angeboten bewusst als Alternative zu den großen Monopolisten positionieren.
Wissensvorsprung nutzen
Um mitzuhalten, müssen traditionelle Anbieter zwar an ihren digitalen Kompetenzen arbeiten. Sie haben aber auch einige Asse im Ärmel: ihr tiefes Wissen über die Lagerverwaltung, das Verständnis für die optimale Nutzung von Technologien und Prozessen, den Besitz von Gütern, Maschinen und Räumlichkeiten sowie das Know-how über End-to-End-Transporte. Da kann kein Start-up mithalten.
Noch werden die Prozesse getrieben von neuen Akteuren für neue Akteure, die die Logistikwertschöpfung neu denken und für sich neu definieren. Einstiegsmöglichkeiten gibt es vor allem im flexiblen Spot-Business. Die digitalisierten Einkaufsprozesse können aber auch im nächsten Schritt ins Kontraktgeschäft übertragen werden. Start-ups beginnen mit einem Problem und erweitern bei Erfolg ihre digitalen Prozesse. Hinzu kommt, dass die großen digitalen Plattformen in die analoge Welt expandieren: Amazon kauft Lieferwagen und betreibt Flugzeugflotten, AirBnB entwickelt und baut eigene Hotels, und Flexport betreibt eigene Lagerhäuser. So wollen sie ihre Services verbessern und mehr Kontrolle über die Customer Experience erhalten. Zum Glück der Plattformen ist das derzeit nur eine Frage des Geldes. Denn den digitalen Kundenkontakt halten sie schon. (sr)
Bis zu 30 Prozent der Lagerflächen in den USA sollen brachliegen. Start-ups erfassen diese und vermitteln dann freie Kapazitäten an Dritte.