How to become CEO (fast!)
Wir bei hy beraten Unternehmen in großen Strategieprojekten und begleiten sie in komplexen Veränderungsprozessen. Die Ergebnisse unserer Beratungsprojekte, unsere Analysen, Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen stellen wir dabei fast ausschließlich in der Geschäftsführung bzw. dem Vorstand von Unternehmen vor. Denn es sind die Top Manager in diesen Gremien, welche die strategische Ausrichtung von Unternehmen vorgeben und diese in der Öffentlichkeit, z.B. in der wirtschaftspolitischen Meinungsbildung repräsentieren. Ihre Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft ist nicht zu unterschätzen. Grund genug für uns, mal einen genaueren Blick auf diese Gruppe zu werfen, um Ihre Denkweisen und Handlungsmuster noch besser verstehen zu können. Unser Referent des CEOs, Dr. Simon Mitterreiter, hat sich während seiner Promotion an der ESCP Business School mit Karrieren von Top Managern beschäftigt. Dabei untersuchte er u.a. wichtige Einflussfaktoren auf die Verweildauer von Top Managern in Vorständen. Eine kürzlich von Simon und seinem Doktorvater Prof. Dr. Stefan Schmid verfasste Studie ist in der Fachzeitschrift European Management Review erschienen. Sie geht der Frage nach, welche Typen von Karriereverläufen diejenigen Manager vorweisen, die es bis ganz nach oben, also in den Vorstand eines Unternehmens, geschafft haben. Die Ergebnisse und Implikationen dieser Studie bilden die Basis für den folgenden Artikel. Der Einblick in die Wissenschaft kann unseren Leser:innen Muster aufzeigen, welche Karriereverläufe Top Manager aufweisen, und dementsprechend Denkanstöße für die weitere Planung der eigenen Karriere liefern.
Chief Executive Officer, abgekürzt CEO, ist die höchste Position, die eine Person in einem Unternehmen bekleiden kann. Nur wenige schaffen es ganz nach oben, in die sogenannte Riege des C-Level Managements. Ob CEO, CFO, COO, CMO, CTO oder CIO, der Weg ist steinig und nur mit hoher Einsatzbereitschaft, Führungsqualität, fundiertem Know-How und fast immer auch einer Portion Glück zu erreichen. Gleichzeitig stehen diese Positionen auch für gesellschaftliche Anerkennung, Erfolg und Macht. Für viele ist das erstrebenswert und bereits früh als Ziel definiert. Dementsprechend werden Zielunternehmen identifiziert und ideale Karrierewege geplant. Wie man letztendlich in diese Positionen kommt, ist dennoch nirgendwo niedergeschrieben.
Wirft man den Blick auf andere Berufe, ist die Frage, wie man dahin kommt vergleichsweise einfach zu beantworten. 12 Semester, eingeteilt in Vorklinik, Klinik und dem praktischen Jahr und wenn alles nach Plan läuft, erfolgt die Approbation und man darf sich Arzt oder Ärztin nennen. Auch als angehender Polizist oder angehende Polizistin weiß man, welchen Weg man vor sich hat; zwei bis drei Jahre Ausbildung bzw. duales Studium und man ist Gesetzeshüter:in und trägt Verantwortung für Recht und Ordnung.
Anders beim CEO, CFO oder COO – keine Ausbildung und kein Masterabschluss garantiert einen Platz in der Führungsetage von Unternehmen. Wie wird man eigentlich CEO? Wie wird man CFO? Wie erreicht man den Kreis der C-Level Etage, in dem man die strategische Richtung eines (großen) Unternehmens maßgeblich beeinflussen kann? Ist es die Beratungserfahrung die einem den Weg nach oben ebnet, oder sollte man schon promovieren, um die besten Chancen zu haben? Klettert man lieber die Unternehmensleiter nach oben oder sammelt man möglichst viele Erfahrungen bei verschiedenen Arbeitgebern? Studiert man lieber Wirtschaftswissenschaften oder doch lieber Jura? Simon Mitterreiter hat rund 250 Vorstandskarrieren analysiert und einige Antworten auf diese Fragen.
Gibt es „DAS“ perfekte Profil?
„Ein paar Jahre Strategieberatung und dann der Exit in die Industrie, das ist der schnellste Weg nach oben.“ „Einstieg im Dax-Unternehmen und dann die Karriereleiter klettern, schneller geht’s nicht.“ Diese und weitere Zitate hört man unter anderem, wenn ambitionierte Menschen den schnellsten und effizientesten Weg in die Führungsetage diskutieren. Gibt es denn nun den einen perfekten Lebenslauf, um sich einen C-Level Job zu schnappen? Nein, gibt es nicht. Aber es lassen sich Muster erkennen.
In der Managementforschung gibt es das Konstrukt der Career Variety. Es misst die Anzahl der Industrien, Arbeitgeber, Funktionen und Länder, in denen eine Person während ihrer Karriere gearbeitet hat. Untersucht man die Career Variety von Top Managern vom Beginn ihrer Karriere bis zur Erstberufung in ein Vorstandsgremium, stellt sich natürlich direkt eine Frage: Ist es von Vorteil, eben möglichst viele Industrien, Arbeitgeber, Funktionen und Länder gesehen zu haben? Oder ist es zielführender, sich zu spezialisieren, um fundierte industrie- oder funktionsspezifische Expertise aufzubauen? Im Rahmen der oben genannten Studie wurden die Karriereverläufe von 256 DAX-30 Top Managern beleuchtet. Es wurde untersucht, wie divers die Lebensläufe von C-Level Managern hinsichtlich der folgenden Career Variety Dimensionen sind:
- Anzahl an Industrien (vom Beginn der Karriere bis zur Erstberufung in ein Vorstandsgremium)
- Anzahl an Arbeitgeber (vom Beginn der Karriere bis zur Erstberufung in ein Vorstandsgremium)
- Anzahl an Funktionen (vom Beginn der Karriere bis zur Erstberufung in ein Vorstandsgremium)
- Anzahl an Ländern (vom Beginn der Karriere bis zur Erstberufung in ein Vorstandsgremium)
Im Rahmen einer Clusteranalyse ließen sich vier Gruppen identifizieren: Generalisten, Spezialisten, Jacks of all trades (Jobhopper), International Jacks of all trades (Internationale Jobhopper).
Generalisten
Generalisten (39%, 100 Top Manager) haben einen sehr ausgeglichenen Karriereweg. Dieser spiegelt sich in moderater Varietät in allen vier Dimensionen wider. Generalisten versuchen eine Balance zu finden, bei der sie eine Bandbreite an verschiedenen beruflichen Erfahrungen absolvieren, gleichzeitig aber auch darauf achten, nicht übermäßig viele verschiedene Stationen in ihrem Lebenslauf zu haben. In Zahlen ausgedrückt: Sie haben durchschnittlich knapp zwei Industrien, etwas mehr als zwei Arbeitgeber, rund zwei Funktionen und ein Land vom Start ihrer Karriere bis zu der ersten Berufung in den Vorstand gesehen. Ein gutes Beispiel für einen Generalisten ist beispielsweise Markus Steilemann, der aktuelle Covestro CEO.
Spezialisten
Die Spezialisten (23%, 59 Top Manager) wissen früh was sie wollen. Wie es der Name schon andeutet, sind sie geradlinig und haben bis zu ihrer ersten Berufung in den Vorstand durchschnittlich nur in einer Industrie, bei einem Arbeitgeber und in einem Land gearbeitet. Lediglich ihren Funktionsbereich ändern sie etwas öfter mit knapp zwei mal. Ein prominentes Beispiel ist hier Christian Klein, der den Großteil seiner Karriere im Controlling, bei SAP und damit in der Software Industrie gearbeitet hat. Bis auf kurze Stationen im Ausland war er überwiegend in Deutschland tätig. Der Vorteil liegt auf der Hand, Spezialisten entwickeln sich zu Experten in ihrem Gebiet und haben deshalb den Vorteil, in Unternehmen in ihrem Expertengebiet, schneller aufzusteigen. Dennoch gibt es nicht nur Vorteile, beispielsweise ist es durch die geringe Anzahl an verschiedenen Berufsstationen schwieriger, sich ein relevantes berufliches Netzwerk aufzubauen.
Jacks of all trades (Jobhopper)
Die Jobhopper (10%, 25 Top Manager) können die Füße nicht still halten. Sie suchen ständig nach Veränderungen und neuen Herausforderungen. Durchschnittlich haben sie in mehr als zwei Industrien und für fast vier verschiedene Arbeitgeber in ihrer Karriere gearbeitet. Auch funktional haben sie mehr als zwei Aufgabengebiete übernommen. Lediglich hinsichtlich der Ländergrenzen sind die Jobhopper noch nicht so abenteuerlustig, mit durchschnittlich einem Land, fühlen sie sich wohl in ihrem (Heimat-)land. Der etwas negativ konnotierte Begriff des Jobhoppers bringt aber auch einige Vorteile mit sich. Jobhopper entwickeln eine branchenübergreifende Expertise, eine überdurchschnittlich hohe Auffassungsgabe und eine schnelle Anpassungsfähigkeit. Gleichzeitig können durch gute Verhandlungen bei einem Jobwechsel schneller Hierarchiestufen übersprungen werden. Durch seine diversen Stationen kann man Ex-Continental CEO Elmar Degenhart in diese Kategorie einordnen.
International jacks of all trades (Internationale Jobhopper)
Die internationalen Jobhopper (28%, 72 Top Manager) ähneln den „traditionellen“ Jobhoppern, scheuen aber keine Ländergrenzen. Im Gegenteil, besonders die Reisebereitschaft sticht heraus, haben sie doch durchschnittlich in mehr als drei Ländern für eine längere Zeit gearbeitet. Die immerhin zweitgrößte der vier Gruppen stellt das Pendant zu den klassisch deutschen „Bergsteiger Karrieren“ der Spezialisten dar, die liebevoll das Klettern der Karriereleiter bei meist einem Arbeitgeber beschreibt. Ein beispielhafter CEO für diese Kategorie ist der Brite John Cryan, der 2015 bis 2018 der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank war.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Basierend auf dem Konstrukt der Career Variety lassen sich die Karriereverläufe der DAX-30 Vorstände aus der Studie in vier Gruppen kategorisieren. Einerseits ist dieses Ergebnis überraschend, da ja das Credo der „Schornsteinkarriere“, die gesamte Karriere, von Beginn bis Eintritt in den Vorstand in einem Unternehmen zu verbringen, in Deutschland immer noch weit verbreitet ist. Andererseits ist es ein gutes Zeichen, dass offensichtlich die Optionen, es ganz nach oben in einen DAX-Konzern zu schaffen, zahlreicher werden. Natürlich spielen neben den untersuchten Merkmalen noch eine Menge anderer Faktoren (z.B. Netzwerk, Einfluss und nicht zuletzt eine Portion Glück) eine Rolle, wenn es darum geht eines der begehrten Tickets für die so genannten „C-Suites“ von Unternehmen zu bekommen.
Wer macht das Rennen?
Unter der Berücksichtigung der oben dargestellten Resultate, dass es mehrere Karrierewege gibt, die in das C-Level Management führen, wäre es noch interessant zu wissen welcher Karriereweg es denn nun am schnellsten, also in kürzester Zeit, nach oben schafft. Voraussetzung dafür ist, man betrachtet ausschließlich die sogenannten objektiven Erfolgsfaktoren wie Geschwindigkeit und lässt subjektive Erfolgsfaktoren wie z.B. Zufriedenheit im Job, Work/Life Balance, etc. außen vor.
Argumentiert man klassisch nach der Humankapitaltheorie, ist die Antwort klar. Durch die erhöhte Bewegung zwischen Industrien, Arbeitgebern, Funktionen und Ländern, sammeln die Personen überproportional hohes Humankapital. Das ermöglicht unter anderem, Karrierestufen schneller zu durchlaufen. Denn das ständige Wechseln des Umfelds fördert unter anderem die Entwicklung einer besseren Anpassungsfähigkeit an ein unsicheres Umfeld, ein besseres Selbstmanagement, eine bessere Marktfähigkeit und/oder ein höheres Gehalt. Die Lernkurve ist erwartungsgemäß steil. Demzufolge wäre anzunehmen, dass eine höhere Career Variety mit einem schnelleren Weg in den Vorstand verbunden ist.
Die Studie zeigt das gegenteilige Ergebnis. Es ist zu beobachten, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Career Variety und Zeit vom Karrierestart bis zur ersten Berufung in ein Vorstandsgremium besteht. Anders gesagt: Wer öfter in den vier Dimensionen gewechselt hat, der braucht durchschnittlich länger um den Vorstand zu erreichen (Mittelwert der Jacks of all trades: 23,1 Jahre). Dabei verlangsamen häufige Industrie- und Arbeitgeberwechsel den Weg noch stärker als Funktions- und Länderwechsel es tun. Ein möglicher Erklärungsansatz wäre, dass die industrie- und arbeitgeberspezifische Adaption viel Zeit in Anspruch nimmt. Wer also oft den Arbeitgeber und die Industrie wechselt, der „verschwendet“ mehr Zeit mit der Adaption, als dass es das erhöhte Humankapital auffangen kann. Wenn also eine kurze Zeitspanne, ein möglichst schnelles Erreichen eines Vorstandsposten ein wichtiger Faktor für ambitionierte, zukünftige Manager ist, dann wäre der Spezialisten-Track mit wenig Abbiegungen und Umwegen der richtige Weg (Mittelwert der Spezialisten: 18,8 Jahre).
Gibt es weitere beschleunigende Faktoren?
Es gibt dennoch eine gute Nachricht an alle abenteuerlustigen und experimentierfreudigen Personen, die sich während ihrer Karriere ausprobieren wollen, dennoch aber binnen kurzer Zeit in den Vorstand aufsteigen wollen. Zu Beginn wurde die Frage gestellt, ob beispielsweise Stationen in einer Beratung oder der Doktortitel Einfluss auf das Erreichen eines Vorstandsjobs haben. Tatsächlich können einige Faktoren als „Karrierebooster“ identifiziert werden. Das sind nämlich Faktoren, die helfen, gemäß den in der Studie verwendeten Daten, schneller die Karriereleiter zu klettern. Die Berufserfahrung in einer Unternehmensberatung, die eine extrem hohe Lernkurve verspricht, ist tatsächlich ein sogenannter Karrierebooster. Knapp zwei Jahre schneller schaffen es Ex-Berater:innen in den Vorstand. Die Kompetenzen, die als Berater:innen aufgebaut werden, sind also auch als Vorstandsmitglied gefragt und gern gesehen. Ebenso interessant ist, dass der Doktortitel ebenfalls die Dauer, die es braucht um in den Vorstand zu kommen, um etwas mehr als zwei Jahre verkürzt. Besonders in Deutschland ist der Doktortitel ein angesehener Qualifizierungsnachweis. Das heißt, es gibt also auch andere Wege den Weg nach oben zu beschleunigen, als fleißig die Karriereleiter in einem Unternehmen zu klettern.
In Zeiten, in denen Frauen in Vorständen leider immer noch massiv unterbesetzt sind, ist eine erfreuliche Nachricht, dass gemäß den Daten der Studie, das Geschlecht keinen Einfluss auf die Zeit, die man für das Ergattern des Tickets für die C-Suite braucht, hat. Die Frage welchen Studiengang man wählt, spielt hingegen eine Rolle. Hier hat das Jurastudium die Nase vorn, indem es durchschnittlich die Zeit in den Vorstand um eineinhalb Jahre verkürzt.
Fazit
Um also nochmal auf die Überschrift zurückzukommen, wie wird man denn nun CEO, oder eben genauer gesagt Vorstandsmitglied? Anbei eine mögliche (keineswegs normative) Leitlinie: Jurastudium, Promotion, Beratungserfahrung, früher Wechsel in die Industrie und dann die Karriereleiter klettern. Sollte man seine eigene Karriere nun genauso planen? Nein, natürlich nicht. Der spannende Einblick in die Wissenschaft zeigt aber Muster, wie, auf welche Art und wie schnell Personen es in den Vorstand geschafft haben. Wir hoffen daher, dass wir unseren Leser:innen dementsprechend zumindest Denkanstöße für die weitere Planung der eigenen Karriere liefern können!
Wer sich dafür interessiert was neben den diskutierten Merkmalen der Career Variety, einen guten CEO auszeichnet, welche Fähigkeiten gebraucht werden und vor allem wie man diese erkennt, der darf gerne (noch) einmal in die Folge 145 des hy Podcast reinhören. Dort diskutieren Dr. Magnus Tessner und unser CEO Christoph Keese diese und weitere Fragen rund um das Thema Führung und Top Manager.
Wir bei hy sind übrigens ständig auf der Suche nach Verstärkung. Dabei ist uns die bisherige Career Variety auf dem Papier gar nicht so wichtig. Wir suchen motivierte Mitunternehmer:innen mit Erfahrung in den verschiedensten Funktionen, Industrien und Ländern. Wir suchen wir keine glatt geschliffenen Profile, sondern blicken auch hinter den CV, um spannende Persönlichkeiten, diverse Backgrounds und engagierte Macher:innen zu finden.