Vom Außendienst zu Digital Sales – Wird der digitale B2B-Vertrieb zum neuen Standard?

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04.04.2022 – Ein Beitrag von Urszula Stefanowicz und Christian Geiss

Die Vermarktung komplexer Industriegüter gelingt nur mit geschultem Vertriebspersonal – ohne Vor-Ort-Kontakt zwischen Außendienstler und Kunden kommt es nicht zum Abschluss. Stimmt, oder etwa nicht?

Im Frühjahr 2020 kamen viele bisherige Standards des B2B-Vertriebs kräftig ins Wanken. Flächendeckend mussten B2B-Außendienstler eine Vollbremsung hinlegen – im wahrsten Sinne des Wortes. Statt mehrmals wöchentlich in den Dienstwagen zu steigen und Kunden vor Ort zu besuchen sowie regelmäßig auf Events und Messen präsent zu sein, waren Außendienstmitarbeiter gezwungen, sich neu zu organisieren. Der erste Impuls im ersten Corona-Lockdown: vorwiegend digital und aus dem Homeoffice mit Kunden in Kontakt bleiben. Was bei Unternehmen mit fortgeschrittenem Remote-Work-Level meist reibungslos funktionierte, führte in Unternehmen mit traditionellen Organisationen und Prozessen zu großen Herausforderungen. Heute, über zwei Jahre nach dem ersten „Schock“, lässt sich jedoch konstatieren: Die Pandemie hat eine längst überfällige Entwicklung extrem beschleunigt – und zwar den Wechsel hin zu einem neuen, deutlich flexibleren und datengetriebenen Vertrieb.

Eine Zahl verdeutlicht dies sehr eindrucksvoll: 171 Prozent. Um diesen Wert stieg laut einer Studie der Ruhr-Universität Bochum der Einsatz von Online-Kommunikationskanälen in den Vertriebsabteilungen der DACH-Region. Nutzten 2019 nur rund 32 Prozent der befragten Außendienstler Tools wie Microsoft Teams, Zoom oder Skype, waren es 2020 bereits über 86 Prozent. Auch soziale Business-Netzwerke wie LinkedIn oder Xing erlebten im ersten Corona-Jahr einen signifikanten Schub – 44 Prozent der interviewten Vertriebsprofis kommunizierten darüber mit ihren Kunden, 2019 lag der Wert lediglich bei 28 Prozent. Zugleich erreichten fast alle Unternehmen 2020 ihre vorab gesteckten Vertriebsziele – es schien also auch ohne die klassischen Touchpoints des Außendienstes zu gehen.

Die Frage ist aber: Was bleibt von diesem Wechsel ins Digitale? Wird er die Welt des B2B-Vertriebs fundamental verändern? Immerhin sind Außendienst-Mitarbeiter das „Gesicht“ eines Unternehmens und vermitteln bestenfalls so viel Vertrauen und fachliche Kompetenz, dass sie Kunden lange begeistern und binden können. Dennoch spricht vieles für einen nachhaltigen Wandel. Ganz gleich, wie es am Ende des Tages genannt wird: Digital Sales, Hybrid Sales, Virtual Sales, Remote Sales oder New B2B Sales – alle Begriffe stehen weitgehend synonym für die aktuell stattfindende Revolution des Vertriebs, insbesondere bei Industriegütern.

Der Umbruch war schon vor Corona angestoßen

Der Hauptgrund für eine nachhaltige Entwicklung eines neuen Vertriebs: Die Digitalisierung hat schon vor der Pandemie unsere Welt Schritt für Schritt verändert. Privat und beruflich. Branchen- und abteilungsübergreifend. Sowohl Vertriebler als auch Einkäufer nutzen seit vielen Jahren ganz selbstverständlich Smartphones, Tablets und Computer für ihr Tagesgeschäft. Und schon im Jahr 2015 stellten Gartner und Google in einer gemeinsamen Studie fest, dass 60 Prozent der befragten Unternehmen die Digitalisierung des Vertriebs als essenziellen Faktor für ihren Geschäftserfolg einschätzen.

Allerdings äußerte ein Großteil von ihnen auch, dass sie die Umsetzung dieser Potenziale wenig vorantreiben. Konkrete Strategien oder der Ausbau von digitalen Sales-Aktivitäten? Fehlanzeige. Scheinbar handelten viele Vertriebs-Units im Sinne des Credos „never change a running system“. Und das sah weiterhin verschiedene, mehr oder weniger personalisierte Push-Methoden vor: Kalt- und Direkt-Akquisen via E-Mail und Telefon, Vor-Ort-Besuche oder das allgemeine Verschicken von Marketing-Materialien und Geschenken sowie Live-Meetings mit potenziellen Kunden und aufwendige Präsentationen auf Messen.

Eine neue Generation prägt den B2B-Vertrieb

Dabei übersahen offensichtlich schon damals zahlreiche Unternehmen mehrere Verschiebungen: Zum einen ist der B2B-Einkauf zunehmend komplexer geworden. So trifft beim Kauf einer hochpreisigen, nicht direkt vergleichbaren Maschine oder einer individuell anzupassenden Software-Lösung häufig nicht nur eine Person die Kaufentscheidung – laut einer Forrester-Studie sind aktuell bei 63 Prozent aller B2B-Käufe mehr als vier Personen im Entscheidungsprozess involviert. Gartner fand 2021 zudem heraus, dass drei Viertel der befragten Einkäufer den B2B-Einkauf durch die Vielzahl an neuen verfügbaren Technologien, Produkten, Anbietern und Services als sehr komplex und schwierig wahrnehmen. Der gesamte Buying-Prozess läuft daher alles andere als linear ab.

Zum anderen entstammen mittlerweile immer mehr B2B-Einkäufer der Millennial-Generation, also jenen jungen Erwachsenen, die zwischen 1981 und 1995 geboren wurden. Als die ersten Digital Natives sind sie privat bestens vertraut mit unkompliziert nutzbaren E-Commerce-Lösungen, smarten Apps und intelligenten Customer Journeys. Suchen Sie ein bestimmtes Produkt, ist ihr erster Schritt, online zu gehen. Im Internet recherchieren sie selbstständig, vergleichen Produkte und Anbieter, schauen Videos, lesen Blog-Artikel und Reviews von anderen Kunden und stellen offene Fragen direkt per E-Mail oder Chat an die Anbieter. Dazu holen sie sich Empfehlungen und Meinungen aus ihrem privaten und beruflichen Netzwerk ein. Am besten kaufen sie wenig komplexe Produkte sogar gleich online oder buchen Services online. Sobald sie mit etwas zufrieden sind, teilen sie übrigens gern ihr Wissen – auf Social Media oder in eigenen Rezensionen. Und genau das machen Millennials eben auch als B2B-Einkäufer. Die Unterschiede zwischen B2C- und B2B-Vertrieb verschwimmen daher zusehends – dementsprechend gleichen sich auch die Methoden, Systeme und Kommunikationskanäle immer mehr an.

Vom Push zum Pull – der Kunde kommt zum Außendienst

In der oben bereits erwähnten Gartner-Google-Studie von 2015 kam daher wenig überraschend heraus, dass bei vielen B2B-Einkäufen bereits 57 Prozent des Einkaufsprozesses erledigt sind, bevor sie sich an einen Sales-Mitarbeiter wenden. Der Wert dürfte heute um einiges höher liegen. Das bedeutet: Die B2B-Einkäufer sind oftmals bereits bestens informiert und kennen andere Marktteilnehmer. Nun brauchen sie vor allem für Detail- und Preisabsprachen oder als Vertrauens-Check-up den direkten Austausch mit einem Vertriebler. Vor Ort muss er dafür nicht zwingend sein – es reichen Video-Calls oder Webinare. Aus einem Push ist im B2B-Bereich zunehmend ein Pull geworden. Diese Bewegung erfordert neue Prozesse und Technologien, mehr Informationen sowie eine höhere Transparenz, besonders bei Preislisten. Branchen- und kundenspezifische Preise werden im B2B-Vertrieb deshalb künftig weichen – dafür übernehmen KI-gestützte Algorithmen die Wahl passender Akquise-Methoden.

Dazu kommt: Auch klassische Messen haben für B2B-Einkäufer an Relevanz verloren. Nachdem 2020 fast drei Viertel aller deutschen Messen abgesagt werden mussten, war das offenbar weniger dramatisch als vermutet. Eine gemeinsame Studie von Visable und Civey fand heraus, dass der Wegfall von branchenspezifischen Messen für 56 Prozent der befragten Führungskräfte nur geringfügig als Verlust gesehen wurde. 38 Prozent besuchten vorher schon keine Messen mehr. Vor allem jüngere Entscheider bevorzugen demnach moderne digitale Formate wie virtuelle Messen. Und für das Netzwerken dürften künftig Fachkonferenzen und Summits wichtige Touchpoints bleiben, so das Resümee der Studie.

Wie sich klassische B2B-Touchpoints des Außendienstes digitalisieren lassen

Auch wenn immer mehr B2B-Kunden selbst online ihre Käufe erledigen, so bleibt der persönliche und vertrauensvolle Kontakt zwischen Außendienst und B2B-Einkauf weiterhin wichtig – vor allem bei der Beratung und dem Verkauf von komplexen Produkten und Services. Allerdings lassen sich nahezu alle essenziellen B2B-Touchpoints remote verlagern. Persönliche Beratungsgespräche können über Video-Konferenzen organisiert werden, Trainings und Schulungen über Webinare und Online-Sessions. Allgemeine und kurzfristige Anfragen decken immer besser Chatbots ab – entweder, in dem eine KI häufig gestellte Fragen selbstständig beantwortet oder ein Kontakt zum Vertriebler hergestellt wird.

Durch hochgradig personalisierte Journeys können auch klassische After-Sales-Touchpoints digital automatisiert werden – vorausgesetzt, die dafür notwendigen Daten sind vorhanden und werden smart kompiliert. Denkbar sind hier beispielsweise sensorgestützte, automatische Erinnerungen und Hinweise zu Wartungsterminen, passenden Up- und Cross-Selling-Produkten sowie Einladungen zu Webinaren. Ziel dieser Journeys ist es, ohne großen Aufwand des Außendienstlers, Kunden auch nach dem Kauf Mehrwerte zu bieten und an das Unternehmen zu binden – beispielsweise durch ergänzende As-A-Service-Angebote.

Die Pandemie forderte ebenso die Kreativität und das Mindset von Messebetreibern heraus. Während ein Großteil seine Präsenz-Termine ersatzlos ausfallen ließ, wagten sich einige von ihnen mit ihren Ausstellern an virtuelle Alternativen. Mit dabei war unter anderem die Hannover Messe. 10.000 Besucher waren bei der Premiere der „Digital Days“ registriert und folgten insgesamt 110 Programmpunkten. Geht es um Präsentationen von Produkten und Services in einem kleineren Rahmen, können Außendienstler heute leicht auf Live-Streams via Youtube, LinkedIn, Skype, Google Meet, Zoom ausweichen – einfach Bildschirm teilen und es kann losgehen.

Runter von der Autobahn, rein in den Business-Feed – Social Selling

Ein weiterer, zunehmend wichtiger werdender Aktionsraum für Außendienstler sind Social-Business-Networks wie LinkedIn und Xing. Besonders die Pandemie hat unzählige neue Nutzer auf die Plattformen gezogen – zwischen April 2020 und Januar 2022 stieg die Zahl der DACH-Nutzer allein bei LinkedIn um drei Millionen. Das Netzwerk wurde 2020 nach eigenen Studien von 84 Prozent der befragten deutschen Vertriebsmitarbeiter für berufliche Zwecke genutzt. Fast drei Viertel der Interviewten meinten zudem, dass sie seit der Pandemie deutlich aktiver kommentiert, gepostet und geteilt haben.

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Quelle: LinkedIn State Of Sales 2021

Mit diesem sogenannten Social Selling können sich B2B-Verkäufer leicht mit potenziellen Kunden im B2B-Bereich vernetzen und in Kontakt kommen. Genauso eignen sich die Netzwerke für den unkomplizierten Austausch mit Bestandskunden. Um die Ecke gedacht, sind durch LinkedIn & Co quasi dauerhafte Messen entstanden – 24/7 offen für den Vertrieb. Durch eigene Postings, etwa von neuen Studien, Produkten, Services oder spannenden Entdeckungen, sowie die aktive Teilnahme in Branchen-Gruppen haben Außendienstler zudem die Chance, sich als Experten ihrer Themen zu präsentieren. Mit guten Chancen: Laut des „LinkedIn State of Sales Deutschland 2021“ ziehen mehr als zwei Drittel der B2B-Käufer eine Marke in die engere Auswahl, wenn deren Sales-Kontakt über ein informatives Link-Profil verfügt.

Digital Sales entlastet den Außendienst 

Da mittlerweile viele Informationen online verfügbar sind, müssen Außendienstler in der Regel ihre Produkte und Services nicht mehr vollständig präsentieren und verkaufen – allein das ist eine große Entlastung zu früheren Außendienst-Generationen. Digital B2B Sales-Ansätze unterstützen somit vor allem in der ersten Phase des Sales Funnels, selten bei der Konvertierung neuer Kunden. Ein gutes Beispiel sind Konfiguratoren beim Autokauf: Früher war das Durchspielen aller Optionen eine Domäne der Verkäufer und Leasing-Partner, heute übernehmen das die Interessenten gern selbst – und zwar online. Hat ein Sales-Team darüber hinaus die oben bereits erwähnten automatisierten Sales-Journeys im Pre- und After-Sales-Prozess, ergeben sich noch weitere Potenziale, um mehr Raum für die Kernaufgaben eines Vertrieblers freizuschaufeln. Denn Digital Sales macht den Verkäufer längst nicht obsolet: Er kann nun stärker denn je als kundenzentrierter Berater für individuelle Detailfragen oder besondere Themen agieren und sich voll und ganz auf werttreibende Bereiche fokussieren.

In der Pandemie dürfte aber noch etwas anderes viele Außendienstmitarbeiter stark entlastet haben: die geringere Reisefrequenz. Sie ist ein zentraler Part des bisherigen Außendienstes – aber auch ein großer Zeitkiller. In einer Studie der Ruhr-Universität Bochum kam heraus, dass vor Corona ein Außendienstler durchschnittlich 13 Stunden pro Woche unterwegs war, drei Viertel dieser Zeit kann nicht produktiv genutzt werden. Die Studie errechnete, dass durch Digital Sales 8,5 Stunden pro Woche mehr für Verkaufsgespräche und eine bessere Vorbereitung von Terminen zur Verfügung stehen. Im Durchschnitt fielen die Kundentermine online auch kürzer aus – statt 70 Minuten vor Ort, reichten 40 Minuten in der Videokonferenz. Ein positiver Nebeneffekt: Weniger Reisen senken auch die Kosten und den CO₂-Ausstoß eines Unternehmens.

Die Digitalisierung erleichtert aber nicht nur die Remote-Arbeit des Außendienstes. Auch bei Live-Touchpoints wie Messen oder Face-to-Face-Beratungsterminen lassen sich viele Prozesse digitalisieren. Mithilfe von Tablets und darauf installierter CRM- und Order-Software sowie individuellen Demos verbessern Außendienst-Profis auch vor Ort die Customer Experience. Vorgestellte Produkte und Services können gemeinsam live konfiguriert und online in Auftrag gegeben werden, Kataloge und Preislisten sind direkt verfügbar – ohne Umweg über den Innendienst. Und bei Bestandskunden haben Außendienstler mit einem digitalen Set-up jederzeit alle relevanten Daten aus der bisherigen Zusammenarbeit parat, sodass sie gezielt sinnvolle Ergänzungen anbieten können.

Ist ein B2B-Kaufprozess sogar ohne Außendienst denkbar?

Pauschal lässt sich dies nicht beantworten – dafür ist der B2B-Markt zu divers. Eine grobe Tendenz lässt sich aber erkennen: Je einfacher ein Produkt ist, desto leichter lässt es sich online ohne Verkäufer vertreiben. Sobald komplexere Produkte und Services gesucht werden, bei denen beispielsweise auch Individualisierungen, verschiedene Lizenzabkommen und After-Sales-Services dranhängen, braucht es auch weiterhin einen B2B-Verkäufer. Im besten Fall wird der Außendienstler dann als fairer Sparring- und Lösungspartner angesehen.

Die ECC-Studie „Customer Journey im B2B“ bestätigte dies 2018. Demnach ist vor allem bei der Beratung von Produkteigenschaften sowie dem Beschwerdemanagement der persönliche Kontakt zum Außendienstmitarbeiter gewünscht. Retouren, aktuelle Preisabfragen und regelmäßige Bestellungen von häufig verbrauchten Materialien werden dagegen am liebsten online abgewickelt.

Allerdings wird der Außendienstler im Zeitalter der Digital Sales mehr denn je zu einem Kanal von vielen weiteren – und alle Kanäle sollten von einem Unternehmen konsistent und kundenzentriert bespielen werden, um Kunden zu gewinnen und langfristig zu begeistern. Insofern verschmilzt der Außendienst immer mehr sowohl mit dem Innendienst-Vertrieb als auch mit weiteren Stakeholdern anderer Fachabteilungen.

Fazit – Der Außendienst muss Teil einer ganzheitlichen Digital-Strategie sein

Digital Sales sind gekommen, um zu bleiben, soviel steht fest. Aber genauso wird der persönliche vertrauensbildende Kontakt auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil des B2B-Vertriebs sein – nur dürfte er in Zukunft vorwiegend digital gepflegt werden. Laut einer McKinsey-Studie von 2020 bevorzugen 70 bis 80 Prozent der entscheidenden B2B-Einkäufer den Remote-Kontakt mit dem Vertrieb oder digitale Self-Service-Optionen. Darauf haben auch die Vertriebsteams reagiert: Knapp die Hälfte der Sales-Mitarbeiter gehen remote auf neue Kunden zu, nur 30 Prozent setzten weiterhin auf den persönlichen Kontakt vor Ort. Beim Bestellen und Nachbestellen setzen immer mehr Anbieter auf Self-Service-Lösungen. Die Zuversicht für Digital Sales ist dementsprechend groß: In der Studie sind 67 Prozent der befragten deutschen Unternehmen davon überzeugt, das Digital Sales effektiver sind als herkömmliche Vertriebsprozesse. Und die B2B-Kunden sind bereit, auch in großen Volumina ohne Live-Anwesenheit eines Außendienstlers einzukaufen – 70 Prozent gaben an, dass sie Produkte und Services im Wert von mehr als 50.000 US-Dollar digital beauftragen würden, 27 Prozent wären sogar zu Abschlüssen von mehr 500.000 US-Dollar bereit.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch die „LinkedIn State of Sales 2021“-Studie: Obwohl etwas mehr als die Hälfte der befragten Vertriebler den plötzlichen Wechsel zur Remote-Arbeit als herausfordernd empfand, wollen die meisten Teams auch über die Pandemie hinaus einen großen Teil ihrer Arbeitszeit remote erledigen. Für den Außendienst heißt das: Der proaktive Griff zum Telefon, das obligatorische Buchen von Messe-Tickets, der direkte Besuch bei einem B2B-Kunden für Beratungen oder Kaufabschlüsse – all das ist nicht mehr allein entscheidend für die Neukundengewinnung und Kundenbindung. Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Digital-Sales-Ansatz muss jedoch größer und ganzheitlicher gedachte werden:

  • Multichannel informieren – Potenzielle Kunden sollten über alle branchenrelevante Kanäle hinweg mit umfangreichen Produkt- und Service-Informationen versorgt werden. Dies kann über die Unternehmenswebsite passieren oder über Newsletter, Blogs, Magazine, Erklärvideos, aufgenommene Webinare oder über Social Media.
    Der Vorteil für den B2B-Vertrieb: Es braucht weniger allgemeine Einführungen und erweitert massiv die Reichweite des Unternehmens im Internet.
  • Digitale Self-Services anbieten – Auch B2B-Kunden möchten ihre Käufe möglichst leicht, transparent, sicher und schnell online abwickeln. Ein eigener Online-Shop oder Präsenzen auf B2B-Beschaffungsplattformen wie Alibaba, Amazon Business, Europages und wlw bieten genau diesen Komfort. Bei komplexen Produkten und Services unterstützen Online-Konfiguratoren, um mögliche Optionen und Preise durchzuspielen. Wenn B2B-Kunden darüber hinaus bei abo-basierten Services selbst Anpassungen im Online-Kundenaccount vornehmen können, bindet das auch langfristig an das Unternehmen.
    Der Vorteil für den B2B-Vertrieb: Der Kaufprozess läuft weitgehend automatisiert ab und wird dadurch effizienter; zugleich lassen sich wertvolle Daten zum Kauf- und Nutzungsverhalten der Kunden sammeln
  • Digitale Sales-Tools einsetzen – Um genau diese Kundendaten sammeln und auswerten zu können, braucht es flexible und skalierbare Software-Anwendungen wie ein CRM für ein sauberes und maximal personifiziertes Kundenmanagement. Für datenbasierte Insights sind Data Analytics- und Business Intelligence-Lösungen lohnenswert. Noch einen Schritt weiter geht es mit KI-Tools, die bestimmte Prozesse automatisieren und vorausschauende Prognosen errechnen können – so erfährt das Unternehmen endlich mehr darüber, mit wem der Vertrieb spricht und kann das oft informelle Wissen der Außendienstler internalisieren und bestenfalls davon profitieren. Hier gibt es aber noch Nachholbedarf: Laut einer EY-Umfrage von 2020 unter führenden Vertriebsmitarbeitern nutzen 53 Prozent der deutschen Unternehmen keine digitalen Tools für Data Analytics.
    Der Vorteil für den B2B-Vertrieb: Dank der digitalen Tools lassen sich die zentralen Prozesse effizienter und kundenzentrierter gestalten – ohne Papier, dafür mit präzisem Blick auf die Kundenbedürfnisse.
  • Marketing und Vertrieb verzahnen – Damit beide Abteilungen kundenzentrierteragieren, sollten sie stärker zusammenarbeiten, ihre Erfahrungen und Daten-Erkenntnisse teilen. Nur so können sie ihre relevanten Zielgruppen präzise und persönlich ansprechen und abholen – laut des „Digital Sales Monitor 2021“ arbeiten jedoch bei 56 Prozent der deutschen Unternehmen beide Abteilungen getrennt.
    Der Vorteil für den B2B-Vertrieb: Er erhält durch Marketing-Auswertungen – bspw. durch Social Media Targeting und Customer Profiling – weitere potenzielle Kunden.
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Quelle: Digital Sales Monitor 2021

Bei all dem Wandel: Etwas ändert sich auch in der Transformation des Außendienstes in Richtung Digital Sales kaum – die grundlegenden Erwartungen der B2B-Einkäufer an die Interaktion mit dem Vertrieb. Dies belegte ebenfalls die „LinkedIn State of Sales 2021“-Studie. Demnach legen sie nach wie vor großen Wert darauf, wenn der direkte Vertriebskontakt über eine hervorragende Branchenkenntnis verfügt und die Geschäftsmodelle und Bedürfnisse des betreuten Unternehmens gut kennt. Genauso entscheidend für langfristige Beziehungen sind Skills wie das aktive Zuhören und die Kompetenz, die Probleme des B2B-Einkäufers kreativ, preisbewusst und lösungsorientiert zu lösen. Gern auch digital und remote.

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Autor

Christian Geiss

Als Senior Vice President bei hy unterstützt Christian unsere Geschäftskunden bei der Entwicklung, Validierung und Kommerzialisierung disruptiver Geschäftsmodelle. Bevor er zu hy kam, war er Director Global Business Innovation bei Mercedes-Benz. In dieser Position erfand er „Mercedes.me“, Benchmark für die direkte und digitale Kundeninteraktion, sowie  „CarMesh“, eine Technologie für  KI-basierten Datenaustausch für Fahrzeuge. Als Mitbegründer und CMO von „Car2Go“ qualifizierte sich Christian für Fast-Track-Programme bei Daimler. Vor seiner Karriere bei Daimler gründete er Deutschlands erste Online-Vertriebsplattform zur Wiedervermarktung von Flotten- und Firmenwagen. Christian hat einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre der Universität zu Köln mit den Schwerpunkten Marketing und Informationstechnologie.