Welche Bedeutung hat das Buch im Zeitalter von KI?
Generative KI wird auch in der Buchbranche derzeit viel diskutiert. Wöchentlich erscheinen neue Bücher über Künstliche Intelligenz und trotz großer Faszination für die Thematik herrscht vor allem auch Respekt vor der disruptiven Technologie, die das Zeug hat, den Buchmarkt neu zu ordnen. In diesem Artikel betrachten wir die wichtigsten Trends, die KI für den Buchmarkt bereithält:
- In Zeiten von KI gewinnt die menschliche Note im Buch zunehmend an Bedeutung.
- KI kann Autor:innen im Schreibprozess unterstützen.
- Mithilfe von KI können wir noch besser auf die individuellen Bedürfnisse von Buchkäufer:innen eingehen.
Zwischen Polykrise und technologischem Umbruch: Der Buchmarkt auf der Belastungsprobe.
Der deutsche Buchmarkt steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen: Noch immer nicht gänzlich von der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Schließung der Buchhandlungen erholt, versetzen die nächsten globalen Krisen – wie die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten – der Branche einen Dämpfer. Die damit einhergehenden steigenden Papier– und Energiekosten kann der ohnehin schon margenschwache Buchmarkt auch durch Preissteigerungen nur schwer abfangen. So befindet sich die Anzahl der Buchkäufer:innen auf dem Abwärtstrend: Während 2012 noch 36,9 Millionen Deutsche mindestens ein Buch pro Jahr kauften, waren es in 2022 lediglich 25,8 Millionen.
Der stationäre Buchhandel, besonders kleine Buchhandlungen, tut sich schwer, diesem Druck standzuhalten. In den vergangenen zehn Jahren kam es zum Abbau von knapp 9.000 Stellen im deutschen Buchhandel und die staatliche Unterstützung in Form einer angekündigten strukturellen Verlagsförderung strich die Ampelkoalition Anfang des Jahres 2024 aufgrund der Haushaltskürzungen. Kurzum: Der deutsche Buchmarkt steht enorm unter Druck.
Inmitten dieser angespannten Situation schlug Ende 2022 die Bombe „ChatGPT” ein. Open AI selbst erklärt die Branche der Buchhalter:innen zu den Berufsgruppen, in der Menschen am leichtesten von generativer künstlicher Intelligenz ersetzt werden können. Mindestens die Hälfte der Aufgaben in der Buchhaltung könne demnach mit GPT-Modellen deutlich schneller erledigt werden.
Wird KI künftig unsere Bücher schreiben?
Genauso wie der Buchhandel sind auch Journalist:innen und Schriftsteller:innen laut OpenAI schon jetzt in Teilen durch Large Language Models ersetzbar. Das sorgt für Unruhe in der Branche. Im Sommer 2023 unterzeichneten in den USA mehr als 8.000 Schriftsteller:innen einen offenen Brief gegen die kostenlose Nutzung ihrer Werke für die Entwicklung künstlicher Intelligenz. Und auch das deutsche Netzwerk der Autorenrechte fordert mit einem offenen Brief an die Bundesregierung eine „Bürger- und kulturfreundliche KI-Regulierung”.
Doch ist die Angst, von KI ersetzt zu werden, begründet? Aktuell können KI-Tools Autor:innen bereits bei der Recherche sowie der Erstellung von Manuskripten und Entwürfen für Bücher unterstützen. Zudem wird KI für Lektorats- und Korrekturratsaufgaben eingesetzt. Es gibt außerdem erste Tools, die den gesamten Prozess der Buchherstellung unterstützen.
Künstliche Intelligenz stößt jedoch an ihre Grenzen, wo es um die Interpretation komplexer menschlicher Emotionen, kreativer Nuancen und subtiler Kontexte geht, die für authentische literarische Werke essenziell sind. Zudem fehlt ihr das tiefe Verständnis für kulturelle, historische und persönliche Hintergründe. Das ändert nichts daran, dass auf Amazon derzeit der Self-Publisher-Markt von KI-generierten Büchern überschwemmt wird. Es stellt sich jedoch die Frage, wer solche Werke liest.
Der Trend zeigt, dass das Interesse an KI-geschriebenen Büchern in den jüngeren Generationen deutlich zunimmt. Dennoch geht es den meisten Menschen beim Lesen von Büchern nach wie vor darum, Geschichten und Wissen von echten Menschen zu erfahren. Und genau darin liegt der Schlüssel zum Erfolg in Zeiten von KI am Buchmarkt. Der Aufstieg der KI bedeutet für Autor:innen in jedem Fall mehr Konkurrenz. Es ist daher essenziell, das Buch als Teil eines holistischen Konzepts zu betrachten, die Person dahinter zur Marke zu machen und zu verstehen, wie und wo potenzielle Leser:innen abgeholt werden müssen. Und die gute Nachricht ist: Dabei kann uns KI behilflich sein.
KI kann weitaus mehr als “nur” schreiben: Megatrend Personalisierung als Chance für die Buchbranche.
In einem übersättigten Markt ist es wichtiger denn je, auf die individuellen Bedürfnisse der Zielgruppe einzugehen. Wenn Menschen immer seltener in Buchhandlungen gehen, müssen sie stattdessen dort erreicht werden, wo sie sich gerne aufhalten: in digitalen Netzwerken. Einen bemerkenswerten Stellenwert in der Buchbranche hat die Plattform TikTok in den vergangenen Jahren erlangt. Auf “Booktok” werden vor allem junge Menschen unter 30 zum Kauf von Büchern angeregt, was sich erheblich auf die Absatzzahlen der Verlage niederschlägt. So existiert abseits der gängigen Bestsellerlisten mittlerweile eigens eine Booktok Bestsellerliste.
Verlage, Buchhandlungen und auch Autor:innen, die eine junge Zielgruppe erreichen wollen, kommen nicht mehr umhin, selbst auf Social-Media-Plattformen aktiv zu werden. In diesem Bereich können diverse KI-Tools in Sachen Trendanalyse, Produktion von Inhalten und Erfolgsmessung großen Mehrwert liefern.
Darüber hinaus darf das Buch im Jahr 2024 nicht mehr nur in Papierseiten gedacht werden. Lesen muss handlich, praktisch und vor allem digital möglich sein. So hat sich der Umsatz von E-Books in Deutschland seit 2010 mehr als verzehnfacht und der Verkauf digitaler Hörbücher in zehn Jahren knapp verfünffacht. Auch hier kann KI Verlagen und Autor:innen unter die Arme greifen: E-Book-Generatoren, Text-to-Speech-Tools sowie Post-Produktions-Anwendungen können die Produktionskosten erheblich reduzieren.
Auch bei der individuellen Kaufberatung, personalisierten Werbung oder der Generierung von Newsletter-Inhalten hält Künstliche Intelligenz großes Potenzial für die Buchbranche bereit.
Fazit: Der gezielte Einsatz von KI wird zum Wettbewerbsvorteil in einer prekären Branche.
Insgesamt steht der deutsche Buchmarkt an einem Scheideweg, an dem sich herausstellen wird, wer mithilfe digitaler Formate und neuer Technologien ökonomische Schwierigkeiten überwindet und wer zurückgelassen wir. Anpassungsfähigkeit, Erschließung neuer Zielgruppen und die Nutzung digitaler Vertriebskanäle sind entscheidend, um in dieser dynamischen Landschaft zu bestehen und zu wachsen.
KI sollte dabei nicht als Bedrohung, sondern als nützliches Tool angesehen werden. Mensch und KI werden künftig gemeinsam an der Erschaffung von Büchern arbeiten. Während im Zentrum der Literatur stets der Mensch mit seinen Emotionen stehen wird, kann KI uns unterstützen, Texte besser und schneller zu schreiben, die Bedürfnisse der Leser:innen zu verstehen und sie mit einem holistischen Ansatz zu bedienen.