Nachhaltigkeit als Geschäftsmodell – „The 12 Trillion Dollar Business Opportunity“
Nachhaltigkeit prägt unsere Gegenwart und die kommender Generationen. Nachhaltigkeit steht für Verpflichtung und Chance gleichermaßen. Eine „business opportunity that wasn’t – until now“. „The 12 trillion dollar business opportunity“ ist ein vierteljährlich erscheinender Industry-Deepdive, der das Verständnis für das Geschäftspotenzial neuer, nachhaltiger Geschäftsmodelle stärken soll. Wir glauben, dass der Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaft von Unternehmen getrieben wird, nicht von Behörden. Wir glauben, dass Klimamaßnahmen letztlich zu einem intrinsischen Motivator für Unternehmen werden, da sie von Investoren und Kunden bevorzugt werden. Wir glauben, dass Unternehmen Nachhaltigkeit als eine bisher nie dagewesene Chance begreifen und ergreifen müssen.
Die Lösungsansätze für nachhaltigere Wirtschaftsprozesse und Lebensweisen sind ebenso vielfältig wie ihre Ursachen. Viele der intrinsisch nachhaltigen Geschäftsmodelle sind noch nicht etabliert, ein Großteil davon noch weit entfernt. Genau diese Situation ist der perfekte Nährboden für Nachhaltigkeits-fokussierte Frühphaseninvestoren oder „Impact VCs“. Während sich bei institutionellen Investoren bestimmte Nachhaltigkeitsframeworks bereits etabliert haben, fangen gleichgesinnte Risikokapitalgeber gerade erst damit an. Die Investoren wittern Aussicht auf attraktive Geschäfte. Auch etablierte Unternehmen sollten die Dringlichkeit und Chancen der Nachhaltigkeit ernst nehmen, denn immer wenn neue aufstrebende Märkte entstehen, laufen sie Gefahr, jungen, agilen Unternehmen hinterherzurennen und sogar abgehängt zu werden.
Aus diesem Grund untersuchen wir in unserem neuen Deep Dive regelmäßig einzelne Branchen und geben Orientierung zu nachhaltigen Geschäftsmodellen und aktuellen Impulsen.
Unser Ansatz
Wir glauben, dass eine wirklich nachhaltige Transformation nur dann stattfinden kann, wenn Unternehmen ihr Geschäftsmodell auf Nachhaltigkeit ausrichten. Somit neue Geschäftsmodelle nach diesen Vorsätzen entwickeln und alte Geschäftsmodelle adaptieren. Wenn Umsatzmaximierung mit Maximierung der Nachhaltigkeit Hand in Hand geht, können wir einen Wendepunkt für unsere globale Wirtschaft erreichen (wir nennen es „Sustainable Revenue Strategy“). Die Bewertungsrahmen für börsennotierte Unternehmen (ESG) sind auf Startups weder anwendbar, noch berücksichtigen sie die tatsächliche Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells. Um eine ganzheitliche Sicht auf die Nachhaltigkeit zu erhalten, klassifizieren wir Nachhaltigkeit nach den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (SDGs). Jedem SDG hat die UN spezifische Ziele zugeordnet, die als Annäherung für die Definition von Nachhaltigkeit verwendet werden können. Der potenziell zu erwartende Impact eines Geschäftsmodells sowie das resultierende Ergebnis und mögliche gegenläufige Effekte werden bewertet und führen zu einer qualitativen Einschätzung der Nachhaltigkeit von Geschäftsmodellen.
Bei der Identifikation und Bewertung nachhaltiger Geschäftsmodelle werden wir uns auf Branchen konzentrieren, welche die Menschheit weltweit beeinflussen. Den Anfang machen wir in der Immobilienbranche.
Das Immobilien-Ökosystem
Die Immobilienbranche und damit verbundene Sektoren sind einer der größten Treiber des Klimawandels. Die Betonproduktion ist zum Sinnbild eines Brandbeschleunigers für den Klimawandel geworden und auch die assoziierten Treibhausgas-Emissionen des Energieverbrauchs in Gebäuden haben einen hohen Anteil an den globalen Emissionen. Diese Ineffizienzen bieten Opportunitäten und öffnen die Tore für neue, nachhaltig geprägte Geschäftsmodelle.
Unsere Analyse bestätigt dies: Die Betrachtung der Venture Capital Investitionen der letzten fünf Jahre zeigt über 1.200 finanzierte Startups und fast 7 Mrd. $ an Risikokapital. Die finanzierten Startups lassen sich in 12 verschiedene Vektoren einordnen:
- Vernetzung von Gebäuden (IoT)
- Modulare Gebäude
- Finanzierung von Effizienzsteigerungen
- Kohlenstoffarme Baumaterialien
- Konvergenz von Immobilien mit dezentralen Energiequellen
- Zement Substitute, Einkaufslösungen für nachhaltige Baumaterialien
- Nachhaltigkeitsfokussiertes BIM (Building Information Modeling)
- Vernetzung von Baustellen
- ESG Reporting
- Gesundheit & Sicherheit in Gebäuden
- Urbanisierung der Landwirtschaft.
In der folgenden Grafik werden die Geschäftsmodelle anhand der Wertschöpfungskette abgebildet und deren Risikokapital-Momentum in Verbindung mit den relevanten SDGs gesetzt.
Risikokapital-Momentum nachhaltiger Geschäftsmodelle in der Immobilienindustrie
Werfen wir einen genaueren Blick auf einige der interessantesten Geschäftsmodelle:
1. Vernetzung von Gebäuden
Der größte Anteil an Venture Capital floss an Unternehmen in dem erweiterten Markt der Vernetzung von Gebäuden, maßgeblich Internet of Things (IoT). Die IoT-getriebene Vernetzung von Gebäuden ist die Grundlage für das Monitoring und die dadurch ermöglichte Reduktion des Energieverbrauchs in Gebäuden. Das Sprichwort „Was man nicht messen kann, kann man nicht verbessern“ scheint ein maßgeblicher Treiber für die Startups aus diesem Cluster zu sein. In vielerlei Hinsicht dient die Technologie, welche ein datengetriebenes Immobilienmanagement ermöglicht, als erster Schritt zu einer belastbaren Nachhaltigkeitsstrategie.
Ein weiterer Grund, warum intelligente Gebäude an der Spitze nachhaltiger Geschäftsmodelle in der Immobilienwirtschaft stehen, ist Retrofitting. Retrofitting beschreibt die Adaption neuer Technologien auf bestehende Infrastruktur. Ein neu gebautes, hochleistungsfähiges Gebäude ist deutlich energieeffizienter als ein hundert Jahre altes Gebäude. Trotzdem ist es im Sinne der Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit kontraproduktiv, bestehende und funktionierende Infrastruktur abzureißen. Die Vernetzung alter Gebäude mittels IoT bietet hier großes Potenzial, bestehendes besser zu machen. Auch als übergreifende Strategie kann Retrofitting angewendet werden, um schnelle Fortschritte bei der Effizienzsteigerung und Emissionsreduktion zu erreichen.
Auswahl relevanter Startups: Redaptive, Inc., Carbon Lighthouse, Inc., Enlighted, Inc.
2. Modulare Gebäude
Etwa 40 % der Deponieabfälle stammen aus dem Bauwesen. Viele Unternehmen arbeiten daran, Bauweisen zu entwickeln, die Abfälle reduzieren oder wiederverwertbar machen. Im Vergleich zur traditionellen Methode ist die modulare Bauweise die nachhaltigere Option und kommt daher auch verstärkt in den Fokus von Venture Capital.
Bei der Modulbauweise werden ganze Häuser oder Gebäudeteile in kontrollierten Umgebungen außerhalb der Baustelle fertiggestellt und vor Ort zusammengesetzt. Das Konzept beinhaltet interne Prozessoptimierungen, welche Abfall in der gesamten Lieferkette reduzieren sowie eine erhöhte Energieeffizienz und Arbeitssicherheit sicherstellen. Weitere positive Begleiterscheinungen wie ein verringerter Lärmpegel oder eine geringere Luftverschmutzung in der urbanen Umgebung gehen damit einher.
Auswahl relevanter Startups: Veev Group, Inc., Imod Structures, Inc., Project Frog, Inc.
3. Zement Substitute
Die weltweite Produktion von Zement ist für rund 8 % der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Gleichzeitig führt der enorme Bedarf nach Zement zu einer realen Verknappung von Sand – der für die klassische Betonproduktion unumgänglich ist. Alternative Produktionsmethoden mit CO²-Bindung und die Verwendung von erneuerbaren oder neuartigen Materialien stellen eine attraktive Geschäftsmöglichkeit für Investoren dar.
Auswahl relevanter Startups: CarbonCure Technologies, Inc., BioMASON, Inc., Ricehouse S.r.l.
So what? „Sustainability-Centricity“ <> „Customer-Centricity“
In den genannten Bereichen sind junge Unternehmen die Treiber neuer Ansätze, Prozesse und Technologien. Etablierte Unternehmen bewegen sich aktuell noch zu träge, dabei können Sie erhebliche Synergien eigenständig oder auch in Partnerschaft mit jungen Unternehmen realisieren.
Die perfekte Basis um langfristig an aufstrebenden Geschäftsmodellen zu partizipieren, das bestehende Geschäft resilient aufzustellen und Nachhaltigkeit in das Zentrum des Schaffens zu stellen. „Sustainability-Centricity“ verschmilzt mit „Customer-Centricity“, da das Verbraucherverhalten in dieser Struktur eine dominante Rolle spielt.
Um die Herausforderungen zu meistern und die Chancen zu nutzen, müssen Unternehmen ernsthafte Nachhaltigkeitsstrategien entwickeln. Das bedeutet, proaktiv nachhaltige Geschäftsmodelle aufzubauen und sich nicht primär auf Emissionsminderungsstrategien der bestehenden Geschäftsmodelle zu beschränken. Die Gewinner der nachhaltigen Unternehmenstransformation werden jene Unternehmen sein, die diese Werte tief in ihrer Strategie verankern und Nachhaltigkeit mit der Umsatzgenerierung in Einklang bringen. Um diesen Prozess zu beginnen, sollten sich Unternehmen die folgenden Fragen stellen:
- Welche nachhaltigen Geschäftsmodelle entstehen in meinem Marktumfeld?
- Wird mein Geschäftsmodell durch entstehende nachhaltige Produktsubstitute, Prozesse, externe Faktoren angegriffen?
- Wie kann ich Nachhaltigkeit mit Wachstum in Einklang bringen?
- Wie kann ich eine “Sustainable Revenue Strategy” entwickeln?
Das sind nur erste Denkanstöße, die Herausforderung könnte größer nicht sein. Sicher ist jedoch, nur wenn wir die richtigen Fragen stellen, finden wir auch zielgerichtet die richtigen Antworten – besser früher als später.