Kapitel 2 – Die drei Säulen des Metaverse
Cord SchmidtConsultant Cord Schmidt ist Consultant bei hy und berät unsere Kunden bei der Entwicklung und Umsetzung digitaler Geschäftsmodelle. |
Im ersten Kapitel habe ich die fünf grundlegenden Charakteristika des Metaverse beschrieben: 1. die nahtlose Verbindung von Realität und Virtualität, 2. die Synchronität von Metaverse und analoger Welt in Echtzeit, 3. das eigene Wirtschaftssystem, 4. die Ermöglichung individueller Verwirklichung sowie 5. die Übertragbarkeit digitaler Daten und Güter über alle Grenzen hinweg. Damit diese Charakteristika sich entfalten können, sind drei grundlegende Säulen nötig:
2.1 Infrastructure
Auch wenn das Thema Infrastruktur für die meisten sicher langweilig klingt, ist es grundlegend für die oben skizzierten Visionen. Ende des 19. Jahrhunderts revolutionierte die Eisenbahn das Reisen und den Handel. Kurz darauf veränderten der Telegraf und das Telefon die menschliche Kommunikation wie nie zuvor. Beide dieser wegweisenden Entwicklungen hätten ohne ein immer weiter wachsendes Schienennetz bzw. den flächendeckenden Ausbau von Stromleitungen nie ihren gesellschaftlich und wirtschaftlich transformativen Einfluss gehabt. Wie jeder große technologische Fortschritt ist die Entwicklung vom zweidimensionalen Internet hin zum dreidimensionalen Metaverse, dem Internet als Ort, auf eine bisher nie dagewesene Infrastruktur angewiesen. Damit sich reale und virtuelle Welt näher kommen können, damit eine “Digitally Native Economy” entstehen kann und damit Daten, Erfahrungen und digitale Assets interoperabel und übertragbar sein können, müssen zentrale Infrastrukturen aus Hard- und Software vorhanden sein.
Die im kommenden Abschnitt beschriebenen Technologien sind nicht erschöpfend, stellen jedoch die grundlegenden Elemente dar. Sicher ist darüber hinaus auch, dass die Kerntechnologien des 21. Jahrhunderts aufgerüstet werden müssen. Es wird eine hohe Rechenleistung, Bandbreite und Speicherkapazität benötigt, um alle virtuellen Welten, Geräte und Wirtschaftsinfrastrukturen zu betreiben.
2.1.1 Hardware
Das heutige mobil geprägte Internet wird zum größten Teil durch Smartphones, Tablet, Laptops und andere “Screen Devices” betreten. Das Metaverse auf der anderen Seite wird durch eine Vielzahl von Geräten realisiert und nutzbar. Ob durch eine App oder einen Webbrowser auf Smartphones, Tablets und Laptops, oder VR-Brillen, AR-Brillen oder Hologramm-Technologie wie Google’s Starline.
2.1.2 Game Engines
Wie in vielen Bereichen des Metaverse ist die Gaming-Industrie einer der relevantesten Innovatoren wenn es um die Entwicklung und Simulation virtueller Gegenstände, Erlebnisse und Welten geht. Grafik-Engines, oder Game Engines wie etwa die Unity Engine von Unity Technologies oder die Unreal Engine von Epic Games, werden in ihrer Relevanz extrem unterschätzt – nicht nur in Hinblick auf das Metaverse oder Spiele wie Fortnite.
Anfang 2021 veröffentlichte Epic Games einen ersten Blick auf ihren “MetaHuman Creator”, der auf Basis der Unreal Engine täuschend echt aussehende Menschen simuliert. Eingesetzt werden diese digitalen Menschen dann beispielsweise in realitätsnahen Spielen wie The Matrix Awakens. Game Engines werden allerdings auch dazu genutzt, um fotorealistische Renderings (in Echtzeit) zu entwickeln, z.B. in der Filmbranche, in der Bauindustrie oder in der Automobilwirtschaft. Interessant sind Engines auch zur Simulation von Szenarien. So wurde z.B. der gesamte Hong Kong International Airport in der Unity Engine nachgebildet. Dieser digitale Zwilling erlaubt es den Betreibern, verschiedene Einflüsse auf den Flughafen realistisch zu simulieren und zu überwachen, wie z.B. starkes Unwetter und Naturkatastrophen, Passagierströme oder Wartungsprobleme.
Game Engines prägen jetzt schon die virtuelle wie die reale Welt – ihre Relevanz wird nur noch mehr steigen, je mehr wir uns in Richtung Metaverse bewegen.
2.1.3 Virtuelle Welten
Game Engines liefern das Fundament für die virtuellen Welten des Metaverse. Virtuelle Welten können ein immersives Erlebnis sein, wie z.B. BMW’s Joytopia oder eine virtuelle Fashion-Show von Balenciaga. Darüber hinaus können sie Teil einer Virtual Platform sein, wie z.B. Decentraland, Upland oder The Sandbox. Sie bilden eine Grundlage für das soziale und ökonomische Miteinander im Metaverse (mehr dazu beim Thema “Digitally Native Economy”). Laut Tim Sweeney von Epic Games haben virtuelle, dreidimensionale Welten bald die Relevanz der heute für Unternehmen unumgänglichen Website:
“Just as every company a few decades ago created a webpage, and then at some point every company created a Facebook page, I think we’re approaching the point where every company will have a real-time live 3D presence” – Tim Sweeney (2020)
2.1.4 Web3
Als kleiner Exkurs eine sehr kurze Geschichte des Internets: Die erste Ära des Internets der 1980er bis in die frühen 2000er Jahre, das “Web 1.0”, war dezentralisiert. Es basierte auf einer Reihe offener Protokolle, auf denen jeder direkt aufbauen konnte, wie HTTP für Websites, SMTP für E-Mails, SMS für Nachrichten und FTP für die Dateiübertragung. Der Vorteil war, dass diese Protokolle allgemein anerkannt waren und nicht geändert werden konnten. Man konnte eine Website auf HTTP aufbauen, und wenn jemand die Website-Adresse hatte, konnte er direkt zu dieser Website gehen, ohne dass jemand anderes dazwischengeschaltet war.
Das “Web 2.0” (ab Mitte der 2000er Jahre bis heute) ebnete den Weg zu zentralisierten Plattformen wie Google, Facebook und Airbnb, die bessere User Experiences ermöglichten. Laut Chris Dixon bedienen sich diese Unternehmen der “attract to extract”-Logik. Sie bieten zunächst günstig oder gar kostenlos ein gutes Produkt an und ziehen so schnell Nutzer:innen an (“attract”). Sobald sie eine kritische Masse an Nutzer:innen, Entwickler:innen und andere Unternehmen auf die Plattform geholt haben, gehen sie auf “extract” über und erhöhen die Preise oder die Kosten.
Nach den Plattformen des Web 2.0 erleben wir jetzt die Entstehung des auf Blockchain-Protokollen basierenden Web3. Durch die Blockchain und automatisierte Prozesse sind Entwickler:innen direkt mit den Verbraucher:innen verbunden. Web3 ist eine idealistische Rückkehr zu den dezentralen Wurzeln des frühen Internets der 1990er Jahre. Ein Kernaspekt ist die durch die Blockchain ermöglichte Machtverschiebung hin zu Nutzer:innen, Creators und Entwickler:innen. Zentralisierte Plattformen und Aggregatoren werden im Web3 weniger Macht haben als im Web 2.0 (Dazu später mehr in Kapitel 2.2). Zusammenfassend ist die Entwicklung so zu beschreiben: Web 1.0 war geprägt von statischem Konsum auf simplen Websites. Web 2.0 ergänzte das Internet um interaktive Partizipation auf Plattformen. Web3 ermöglicht erstmals dezentrales, nachweisbares digitales Eigentum.
Die Logik von Web3 ist eine zentrale Grundlage eines “offenen Metaverse”: Dieses entsteht durch die Vernetzung und Interoperabilität einer Reihe verschiedener Plattformen, virtueller Welten, Websites, Geschäfte, Erlebnisse und mehr. Es ist eine Web3-Version des Metaverse, in dem Spieler:innen und Nutzer:innen von Fortnite zu Roblox zu Minecraft reisen und alle ihre Daten, Skins, NFTs und digitalen Währungen reibungslos mitnehmen können.
Web3 und die Blockchain sind nicht zwingend nötig für die visuelle, räumliche Komponente des Metaverse. Aber: ein offenes Metaverse, das nicht von einem oder wenigen Unternehmen dominiert wird und so ein viel größeres ökonomisches Potential entfalten kann, ist nur auf Basis ist nur auf Basis von dezentralen Technologien wie der Blockchain möglich. Wir wollen schließlich nicht, dass sich nur die Gatekeeper ändern und diese statt Apple, Google und Facebook in Zukunft Roblox, Fortnite oder Discord heißen.
2.1.5 Interchange Standards
Als Grundlage für Interoperabilität, die wirkliche reibungslose Vernetzung des Metaverse und der Digitally Native Economy müssen Standards geschaffen werden, die von allen Akteuren gleichermaßen genutzt werden. Ohne sogenannte Interchange-Standards wird es kein Metaverse geben – lediglich eine virtuellere und immersivere Version des heutigen mobilen Internets. Für ein erfolgreiches Metaverse brauchen wir ein Ökosystem solcher „Interchange“-Lösungen, die Daten und Assets zwischen unzähligen verschiedenen Plattformen verbinden, übersetzen und austauschen.
Unternehmen wie Crucible versuchen, genau das anzubieten. So soll es z.B. möglich sein, eine NFT-Skin von Gucci in Form eines T-Shirts zu kaufen, dieses auf einem virtuellen Konzert in Fortnite zu tragen und später mit derselben virtuellen “Kleidung” zu einem Community-Meeting in Genesis City, Decentraland, zu gehen – und das alles mit derselben Identität. Cyber wiederum fungiert als eine Art Portal, von dem aus man von einer virtuellen Welt zur anderen springen kann.
2.2 Die Digitally Native Economy
Interoperabilität und die Verbindung verschiedener Orte, Games und Websites im Metaverse sind nur durch blockchain-basierte Technologien möglich – gleiches gilt für das Wirtschaftssystem. Damit sich das offene Metaverse zusammenfügt, muss ein über alle Welten, Websites und Erlebnisse hinweg geltendes Wirtschaftssystem bestehen. Die “Digitally Native Economy” bildet damit sozusagen ein weiteres wichtiges Interchange-Element.
2.2.1 Digital geborene Vermögenswerte: Chains und Tokens
Blockchains wie Ethereum haben diese Idee durch die Einführung eigener Programmiersprachen erweitert. Diese ermöglichen es Entwicklern, dezentralisierte Applikationen („dApps“) auf einer bestehenden Blockchain und ihren Netzwerken zu entwickeln und ihre eigenen Token auszugeben, um ihr Netzwerk bzw. ihre Nutzer:innen und Entwickler:innen zu entschädigen bzw. zu belohnen. Darüber hinaus können Tokens für jeden beliebigen Zweck ausgegeben werden, nicht nur für Mining (den „Abbau“ von Tokens durch Computerberechnungen). Entwickler:innen einer dApp können ihr Netzwerk mit Tokens für alles belohnen, was sie messen und als knappe Ressource definieren können: Zeit, Nutzer:innen, Inhalte, Bandbreite, Dateneingabe, ein bestimmtes Verhalten oder was auch immer gemessen werden kann. Unterschieden werden kann zwischen Non-Fungible Tokens (NFTs) und Fungible oder Social Tokens.
2.2.2 NFTs, Social Tokens und Wallets
Im Grunde genommen existieren alle digitalen Güter derzeit in isolierten Datenbanken mit sehr unterschiedlichen Formatierungen und der Unfähigkeit, mit etwas anderem zu interagieren – wir denken beispielsweise an die bereits erwähnten In-Game-Währungen von Fortnite oder Roblox, V-Bucks bzw. Robux. Für andere grundlegende Elemente des Internets gibt es bereits Standards, z. B. Protokolle wie TCP/IP für den Austausch von Datenpaketen oder Dateiformate wie GIF/MP3.
Ein “non-fungible asset”, also ein nicht austauschbarer Vermögenswert, ist etwas Einzigartiges, wie etwa ein seltenes Panini-Kärtchen, eine alte Rolex von Paul Newman oder ein Stück Land. Dies unterscheidet sich von einem “fungible asset”, also einem austauschbaren Vermögenswert wie z.B. Bargeld. Ein Ein-Dollar-Schein ist immer einen Dollar wert, unabhängig davon, wem er gehört, ob frisch gedruckt oder zusammengeknüllt. Hat der Schein jedoch eine Unterschrift von Andy Warhol, ist er “non-fungible”.
Einfach ausgedrückt ist ein NFT also eine Dokumentation des Eigentums an einem einzigartigen digitalen Vermögenswert. Er ist ein digitales Echtheitszertifikat welches durch die Blockchain unwiderlegbar beweist, dass der Inhaber ein einzigartiges digitales (und manchmal auch physisches) Gut besitzt.
NFTs können Sammlerstücke, In-Game-Items wie Waffen und Skins, digitale Kunst, virtuelle Immobilien, Veranstaltungstickets, Profilbilder und Namen für soziale Netzwerke und sogar Eigentumsnachweise für physische Vermögenswerte sein. So hat die deutsche Uhrenmanufaktur Hanhart kürzlich eine neue Uhr in Kombination mit einem digitalen Zwilling als dazugehörigen NFT versteigert.
Fungible oder Social Tokens unterscheiden sich entsprechend durch ihre Austauschbarkeit (wie jeder Bitcoin, wie jeder Ein-Dollar-Schein). Sie können eine digitale Währung für nahezu jeden Anlass sein.
Ein Beispiel: Mirror.XYZ funktioniert ähnlich wie ein Blockchain-basiertes Medium. Zu diesem Zweck kann ein Autor (Fungible) Tokens an sein Publikum verkaufen, um einen neuen Essay, eine Serie oder ein Video zu finanzieren, dann NFTs dieser Werke herstellen und den Erlös automatisch mit seinen Unterstützer:innen teilen. Mit Royal’s oder auch sound.xyz’s Tokens können Fans Anteile an Songs erwerben. Bei solchen Blockchain-basierten Spotify-Alternativen verdienen neben den Musiker:innen auch die Fans Tantiemen für alle Einnahmen dieser Songs.
“Wallets”, also digitale Speicher wie MetaMask oder von Crypto-Marktplätzen wie Coinbase fungieren schließlich als Eintrittskarte in die Web3-basierte Digitally Native Economy, und damit auch ins Metaverse. Alle digitalen Assets, sei es digitale Kunst, Eintrittskarten, Game-Skins oder eine digitale Balenciaga-Mütze, werden in diesen Wallets aufbewahrt und gehören nur ihren Eigentümer:innen – nicht NFT-Marktplätzen wie OpenSea (welcher nach einem neuen Investment mit über 13 Mrd. $ bewertet wird) oder Marken wie Balenciaga. Mit der Wallet können sich Nutzer:innen in den verschiedenen Orten und Plattformen des Metaverse einloggen und all ihre digitalen Assets mitnehmen. Diese Interoperabilität erhöht natürlich auch den Wert dieser Assets – ein Kunstwerk oder ein Paar digitaler Sneakers, die ich überall hin mitnehmen kann, sind logischerweise mehr Wert als solche, die ich lediglich in Roblox nutzen kann.
2.2.3 Die Wertschöpfungskette der Digitally Native Economy
In der Web3-basierten Digitally Native Economy des Metaverse verschieben sich Macht und Wertschöpfung von großen, zentralisierten Plattformen hin zu den einzelnen Creators, Entwickler:innen und Nutzer:innen. Gleichzeitig sinkt die Schwelle, an diesem Wirtschaftssystem teilzunehmen enorm.
Allein durch den Konsum oder Gebrauch von Produkten und Services können Nutzer:innen über Social Tokens an dessen wirtschaftlichen Erfolg teilhaben. Und das macht auch Sinn, sobald es ausreichend einfach ist – warum sollten Nutzer:innen keine Tokens von Web3-basierten Metaverse-Produkten, -Services und -Games besitzen wollen, nachdem sie jahrelang kostenlos und ohne (monetäre) Belohnung Zeit in Plattformen wie Instagram oder Games wie CandyCrush investiert haben?
Auch wenn Intermediäre nicht zwingend komplett entfallen, so fällt ihnen doch eher die Rolle eines Koordinators zu, weniger einer zentralisierten Plattform, die hohe Transaktionsgebühren erheben kann. Sollten Metaverse-Plattformen dennoch versuchen, hohe Gebühren wie etwa die 30% der heutigen App-Stores zu erheben, können Nutzer:innen einfach ihre Wallet samt ihrer Daten und Assets “einpacken” und zum nächsten Anbieter ziehen.
2.3 Content & Culture
Sowohl Creators und Nutzer:innen, aber auch bestehende, heute erfolgreiche Unternehmen und Marken schaffen Inhalte für das Metaverse. Dieser Content füllt das Metaverse erst mit digitalem Leben und ist damit möglicherweise die wichtigste der drei Säulen.
2.3.1 Verändertes Konsumentenverhalten
Die Akzeptanz des Metaverse ist, wie bei jeder großen Technologiewelle, ein schleichender Prozess. Angestoßen im Gaming-Bereich, haben mittlerweile erste relevante Akteure außerhalb des Gaming-Sektors das Metaverse für sich entdeckt. So unterschiedliche Marken wie Prada, Hasbro oder Playboy haben eigene Pläne für Investitionen ins Metaverse angekündigt. Moderator Jimmy Fallon kaufte kürzlich seinen ersten NFT für über 200.000$, während Rap-Ikone Snoop Dogg eigene Metaverse Experiences, inklusive seiner eigenen “Virtual Mansion”, in der The Sandbox zum virtuellen Leben erweckt hat.
Auch die Akzeptanz digitaler Assets wie NFTs nimmt zu – bei Prominenten wie bei Unternehmen. Und das macht auch zumindest ökonomisch Sinn: eine authentische Tasche von Louis Vuitton kann hunderte Male höhere Preise erzielen als die gleiche Tasche in gefälschter Form, weil der Besitz des echten Stücks etwas über die Person aussagt, die es besitzt. Das Gleiche gilt für digitale Güter, ob im Modebereich oder anderswo. Eine virtuelle Gucci-Tasche wurde im Mai für über 4000$ auf Roblox verkauft, mehr als das 3400$ teure Original. Dabei war dieses Exemplar nicht mal ein NFT, also ausschließlich bei Roblox nutzbar.
Die alltägliche Nutzung von Avataren ist ebenfalls eher ein “wann” als ein “ob”. Bereits heute sind reduzierte Formen von Avataren bereits wichtige Bestandteile digitaler Kommunikation: Apple’s individuelle Memojis werden von vielen iPhone-Nutzer:innen verwendet – sogar meine der Babyboomer-Generation angehörigen Eltern nutzen diese cartoonhaften Darstellungen ihrer selbst regelmäßig.
Durch Avatare werden neue Möglichkeiten des sozialen Miteinanders möglich. Geschlecht, Herkunft, Alter, Behinderungen und auch physikalische Gesetze stellen im Metaverse, anders als in der realen Welt, keine Grenzen mehr dar.
Zentraler Einfluss der zunehmenden Akzeptanz des Metaverse sind die jungen Generationen, die nicht nur mit dem Internet, sondern auch “mobile first” mit Smartphone und (Mobile) Gaming aufgewachsen sind. Für viele sind virtuelle Welten bereits heute ein komplett normaler Aufenthaltsort – auch um einfach mal etwas Dampf abzulassen:
2.3.2 Entertainment, Gaming & neue IP
Content & Entertainment, vor allem auch bestehende Intellectual Property (IP) wie Star Wars, Batman, John Wick oder Harry Potter sind einer der wichtigsten Faktoren, um dem Metaverse den Weg in den Mainstream zu bahnen. Virtuelle Konzerte wie 2020 von Travis Scott in Fortnite oder 2021 von Lil Nas X in Roblox waren lediglich ein Vorgeschmack. Einige heute erfolgreiche Marken aus den verschiedensten Bereichen haben das bereits erkannt und Erlebnisse und bieten Produkte und Erlebnisse für Gaming- und Metaverse-Plattformen an:
In Fortnite etwa können Spieler:innen sich Skins ihrer Lieblingsfiguren aus Star Wars, Marvel, Harry Potter oder anderer Geschichten (oder Sportvereine wie der NFL) kaufen. Ebenso werden regelmäßig “Crossover Events” veranstaltet, auf denen beispielsweise der Trailer des neuesten Star Wars-Films exklusiv gezeigt wird. Auch Balenciaga begann kürzlich eine Kooperation mit Fortnite, durch die sowohl virtuelle Skins im Spiel als auch realer Merchandise im Balenciaga-Store gekauft werden können.
Wollen Marken in Welten wie Fortnite, Roblox oder anderen eine Rolle spielen, müssen sie tun, was sie bisher gerne vermieden haben: mehr Kontrolle als jemals zuvor über ihre IP und die Art und Weise, wie sie von Konsument:innen wahrgenommen werden, abgeben. So kann man seinen Avatar mit Air-Jordan-Sneakers, einem Baby Yoda-Shirt und einer Balenciaga-Mütze ausstatten und mit einem anderen Avatar in John Wick-Skin durch Hogwarts schlendern. Diese Schritte sind in diesem Umfang Neuland (ha), aber in gewisser Hinsicht auch nicht: in der realen Welt kann auch jeder anziehen was er oder sie möchte. “Remixing” war schon immer Teil der Kultur, auch im Internet – durch die Dreidimensionalität des Metaverse wird sie räumlicher, realer.
Ein weiteres Beispiel ist Nike, das kürzlich eine Kooperation mit Roblox eingegangen ist, um “Nikeland” als auf der Gaming-Plattform ansässige Metaverse-Experience zu bauen. In Nikeland werden Nutzer:innen an virtuellen Sportveranstaltungen teilnehmen, Avatare erstellen und sie mit exklusiver, virtueller Nike-Kleidung und -Accessoires ausstatten können – welche sie natürlich auch in alle anderen Roblox-Experiences mitnehmen können. Auch soll die virtuelle Welt aus Nikeland via Augmented Reality in die physischen Flagship-Stores übertragen werden können. Darüber hinaus kaufte Nike das NFT-Startup RTFKT im Dezember 2021, um im Bereich der virtuellen Mode langfristig Fuß zu fassen.
Aber bestehende Marken und IP sind nur ein Teil, vermutlich gar ein kleiner Teil des Metaverse. Bereits jetzt bilden sich Inhalte und Marken, die lediglich im Metaverse existieren, sozusagen Metaverse Native Brands. Neue Technologien verändern nicht nur, wie Konsument:innen auf Inhalte zugreifen, sondern auch die Inhalte selbst, wie z.B. der Wandel von Werbefinanziertem Fernsehen zum durch Abonnements monetarisierenden Streaming-Services wie Netflix zeigt.
So entstehen beispielsweise durch blockchain-basierte Games wie Axie Infinity oder NFT-Kollektive wie Bored Ape Yacht Club völlig neue Formen von IP, die heute bereits Merchandise in der realen Welt hervorbringen, aber auch die Grundlage für heute vertraute Formate wie Serien oder Filme bieten können. Solche “Kulturprodukte” des Metaverse ermöglichen jedoch nicht nur Monetarisierungspotenzial, sondern schaffen ganz neue Subkulturen und Identitäten.
Hollywood glaubte lange Zeit, dass Millennials in das lineare Pay-TV-Paket hineinwachsen oder das Interesse an YouTube verlieren würden. Das haben sie nie getan. Und die Generation Y heute Netflix und Disney+ schauen, sinkt der prozentuale Anteil von Videoinhalten an der Freizeitnutzung. Die heutige Generation von Kindern wächst nicht nur mit dem Internet auf, sondern vor allem im Internet. In virtuellen Welten und Games knüpfen sie neue soziale Kontakte, toben sich kreativ aus, lernen und verdienen ihr erstes Geld. Das wird nicht aufhören.
Und genauso wie es auch mit dem Internet der 90er Jahre und dem mobilen Internet der heutigen Zeit war, werden die damit aufgewachsenen Generationen schnell übernehmen. Nach den Digital Natives der Generationen Y und Z kommen nun die Virtual Natives – die “Generation Metaverse”.
Das offene Metaverse baut auf den drei tragenden Säulen Infrastructure, Digitally Native Economy sowie Content & Culture. Wie weit wir auf dem Weg in dieses Metaverse sind, welche Infrastruktur, welche ökonomisch und kulturell relevanten Meilensteine bereits erreicht sind, beschreibe ich im dritten und finalen Kapitel.