Das Stichwort der Stunde: Positive Ignoranz!

Im Privaten zunächst will ich vor allem bewegen, was mich bewegt, mich besorgt oder empört – als Frau, als Mutter, als Bürgerin. Wer heute zwölf Jahre alt ist, hat bald 10.000-mal Mord- und Totschlag erlebt, ungezählte Schlägereien, Quälereien, Vergewaltigungen und Körperverletzungen. Wo? Am Bildschirm, in Filmen und Fernsehserien, zunehmend auch im Internet und in Computerspielen. Wo erfahren Heranwachsende eigentlich auf vergleichbar suggestive Weise: Du sollst nicht töten und treten, nicht schlagen und schießen? Und zwar nicht bloß, weil Du das moralisch nicht darfst, sondern auch, weil Du damit sozial und alltagspraktisch nicht durchkommst und keines Deiner Probleme löst. Wir müssen die Macht von Social Media durchbrechen, die Internet- und Computerallgegenwart von Werbung und Trivial-Unterhaltung! Gelingt uns das nicht, dann helfen auch alle noch so aufwendigen, gutgemeinten Bildungs- und Erziehungsmaßnahmen nicht weiter. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Algorithmen von Google, Instagram, Facebook und Co. unser Leben dirigieren und über das Denken, Fühlen und Handeln unserer Kinder verfügen. Neben der Familie sind vor allem die Schulen und Bildungseinrichtungen aufgerufen. Wo potenziell alles wissbar ist und abrufbar, wird es immer dringlicher, verlässlich zwischen dem Wissbaren und dem Wissenswerten zu unterscheiden; immer notwendiger zu wissen, was ich nicht wissen muss, nicht gehört, geschaut und erfahren haben muss, ohne darüber in panische Informationsangst zu geraten. Positive Ignoranz ist das Stichwort der Stunde!
Ausblick: Was kommt, wenn Corona geht?
Pandemieerfahrung wird für die heranwachsende Generation vor allem Misstrauens- und Abstandserfahrung sein. Schopenhauer verdanken wir die kleine Geschichte von den Stachelschweinen und ihren Abstandsnöten: Wenn sie sich während des Winterschlafs in ihrer Höhle zu weit entfernt voneinander lagern, drohen sie zu erfrieren; rücken sie sich indes zu dicht auf den Stachelpelz, könnten sie sich unter Umständen arg verletzen. Auch wir müssen uns als Misstrauens- und Abstands-geschädigte auf allen Ebenen der Gesellschaft im nächsten Jahr bei der bevorstehenden „Rückkehr“ in die neue Normalität wohl erst mühsam vorantasten, um das rechte Maß bei unseren Nähe- bzw. Distanzbedürfnissen zu den Anderen zu finden: Welche Rechte, welche Pflichten sind bei der Balance unserer sich oft widerstrebenden Freiheits- und Sicherheitsbedürfnisse angemessen und notwendig? Wie viel Gemeinsamkeit und Vertrauen soll sein, wie viel Vorsicht und Abstand?
Trends 2022
- Schaffung verbindlicher internationaler Strukturen für die Sicherung und den Erhalt der globalen Lebensbedingungen.
- Bildung als die wichtigste Voraussetzung für demokratische Teilhabe mündiger Bürger:innen.
- „Rückkehr“ in die neue Normalität für die Post-Pandemie-Zeit.