Alles wird teurer – oft gesagt und endlich auch wahr

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03.05.2022 – Ein Beitrag von Dr. Sebastian Voigt und Felix Van Walbeek

In und über Deutschland hinaus schwebt das Damokles-Schwert der Stagflation, der seit den 1970er Jahren fast vergessenen Kombination aus Inflation und wirtschaftlicher Stagnation. Während auf der einen Seite unter anderem steigende Lohn-, Zins-, Energie- und Logistikkosten für höhere Preise sorgen, so sorgen Ukrainekrieg und globale Supply Chain Engpässe bei Energie und Rohstoffen zusätzlich für wirtschaftliche Risiken. Während im März dieses Jahres die Inflation wohl auf ca. 7,3 % gestiegen ist, gibt die EZB nun auch für das gesamte Jahr 2022 eine Schätzung ab, nach der die Inflation im Euroraum 2022 5,1 % betragen dürfte. Führende deutsche Wirtschaftsinstitute, u.a. das Institut für Weltwirtschaft in Kiel legen direkt nach und sprechen sogar von 6,1 % Inflation. Währenddessen dürfte das wirtschaftliche Wachstum wohl nach Ausbruch des Ukrainekriegs inzwischen mit 2,7 % deutlich unter den ursprünglich geschätzten 4,8 % liegen – das heißt: real schrumpft die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr.

Ein Blick auf die lang- und kurzfristige Entwicklung der Rohstoff- und Energiepreise offenbart das Problem vieler Firmen. Die Kosten für Holz, Öl, Gas, Stahl, Aluminium oder Nickel sind in den letzten Wochen und Monaten sprunghaft enorm angestiegen.

Damit nicht genug: Unsere globale Lieferkette ist ein empfindliches System, welches aus vielen einzelnen Gliedern besteht. Die Störung eines solchen Gliedes kann kaskadenartige Auswirkungen auf die gesamte Kette haben, welche ordnungsgemäß nach Plan funktionieren muss, um die Weltwirtschaft am Laufen zu halten. Die Covid-19 Pandemie erwies sich als ein Ereignis solchen Ausmaßes, welches entweder die Effizienz unsere Lieferketten enorm beeinträchtigte, bzw. sie komplett zum Stillstand brachte. Die Containerschifffahrt, als ein zentraler Bestandteil der globalen Lieferkette, war aufgrund der Komplexität und ihres transkontinentalen Charakters besonders stark getroffen. Seit Beginn der Pandemie hatte die Schifffahrtsbranche mit Hafenschließungen und -überlastungen, Arbeitskräftemangel, Schwierigkeiten bei der Kapazitätsauslastung sowie einem Mangel an neu- produzierten Schiffscontainern enorm zu kämpfen. Als das 400 Meter lange Containerschiff Ever Given im März 2021 für sechs Tage das „Nadelöhr der Weltwirtschaft“, den Suezkanal, blockierte, sorgte zusätzlich zu der angespannten Lage für einen enormen Anstieg der globalen Lieferkosten. 

Klar ist: Unternehmen stehen bei diesen Kostensteigerungen unter Druck, ihre Margen zu verteidigen. Produzierende Unternehmen, die zuvor etwa mit einer Gewinnmarge von fünf bis zehn Prozent agierten, werden nun plötzlich zur margenlosen Geldwechselmaschine. Anlagenbauer und Projektentwickler, bei denen zwischen Vertragsabschluss und Projektstart mehrere Monate (oder sogar Jahre) liegen können, können ihre Aufträge nicht mehr profitabel ausführen und fürchten so um ihre Existenz. 

Margen verteidigen – via Hedging oder Pricing

Grundsätzlich gibt es zwei Ansätze, um mit steigenden Kosten umzugehen. Entweder sichern sich Produktions-intensive Industrieunternehmen durch sogenanntes Hedging an den internationalen Börsen gegen die explodierenden Kosten ab, oder sie versuchen, ihre Mehrkosten durch cleveres Pricing auszugleichen.

Hedging als Absicherung, jedoch leider nicht gegen alles
Hedging ist keine neue Möglichkeit für sowohl Rohstoffkäufer als auch -verkäufer, sich gegen die Risiken durch Preisschwankungen bei Rohstoffen, welche als Ausgangsmaterial für Industrieprodukte verwendet werden, abzusichern. Durch die Entwicklungen von Produkten wie neuen Lithiumbatterien, Biokraftstoffen, synthetischen Chemikalien sowie auch alternativen neuen Düngemitteln hat die Vielfalt der Einsatzgebiete von bestimmten Rohstoffen zugenommen. Produkte wie diese haben in der Folge neue wachsende Märkte für Rohstoffe wie Kobalt, Nickel, Lithium, Polymere sowie natürlich Öl und Gas geschaffen. Gleichzeitig haben sowohl jüngste geopolitische Konflikte wie der Ukrainekrieg, klimatische Unwägbarkeiten sowie Lieferengpässe – Stichwort: Ever Given & Suezkanal – zu Unsicherheit bei den Rohstoffproduzenten beigetragen, was zu anhaltenden Preisvolatilitäten geführt hat.

Als Reaktion auf die gestiegene Nachfrage nach diversen speziellen Rohstoffen in diesen unvorhersehbaren Zeiten haben die internationalen Kapitalmärkte neue Finanzinstrumente – darunter Futures (Terminkontrakte) oder Optionen – entwickelt, um die Absicherung gegen steigende Preise zu erleichtern. Inzwischen sind an den meisten großen internationalen Börsen inklusive New York Stock Exchange, Nasdaq, Euronext oder Tokyo Commodity Exchange diverse Finanzprodukte für alle möglichen Rohstoffe wie unter anderem Weizen, Kupfer, Zucker, Kobalt, Nickel, Öl, Dünger und viele weitere handelbar.

Exkurs: Hedging
Der Hersteller des Rohstoffes ist auf den tatsächlichen physischen Markt angewiesen, auf dem er sein tatsächliches Produkt verkaufen muss, jedoch kann er nicht vorhersagen, wie hoch der Marktpreis für sein Produkt in der Zukunft sein wird, sobald er es verkaufen kann. Er kann nun ein Future (zu Deutsch: Terminkontrakt) an der Börse verkaufen und so den Preis für sein Gut festlegen. Im Falle eines steigenden Preises führen zwar die verkauften Futures zu Verlusten, jedoch gleicht der Verkauf des physischen Produktes diesen Verlust aus. Im Falle eines sinkenden Preises entsteht ein Gewinn durch den Future, während das physische Produkt zu einem niedrigeren Preis verkauft wird. Sollte der Preis fallen, werden die Verluste auf dem physischen Markt durch das Verkaufen der Futures Position ausgeglichen, wodurch der Preis des Produkts festgeschrieben und das Risiko von Preisschwankungen begrenzt und kontrollierbar wird.

Viele Unternehmen haben jedoch Schwierigkeiten, von der Absicherung durch Hedging zu profitieren, da diese oft nicht als Teil des umfassenden Risikomanagements der Unternehmen eingesetzt wird. Ziel des Hedgings darf nicht die Optimierung, sondern die Minimierung der Volatilitäten, der Gewinnspannen sein.

Pricing-Maßnahmen: Welche Mehrkosten können kurzfristig weitergegeben werden?  Welche Maßnahmen helfen langfristig? 

Noch schwerer als mit umfassendem Hedging tun sich viele Unternehmen mit einer Absicherung gegen die aktuelle Entwicklung durch gezielte Pricing-Maßnahmen. Können die Kostensteigerungen in Form von Preissteigerungen weitergegeben werden? Wie kann dies ohne Gefährdung der Kundenbeziehung geschehen? Und wie geht man am besten mit langfristig geschlossenen Verträgen und somit fixierten Preisen um, die nun die Kosten nicht mehr decken?

Wir haben mit Experten aus über 15 verschiedenen Branchen gesprochen, unter anderem aus der Baustoffbranche, der Chemie, der Werkzeugbranche und dem Anlagenbau, wie mit dem Thema “Inflations-Pricing” umgegangen werden kann. Gemeinsam mit diesen Experten haben wir vier kurzfristig und vier langfristig umsetzbare Maßnahmen identifiziert, um Pricing-seitig sinnvoll mit den explodierenden Kosten umzugehen.

Pricing-Soforthilfen: Margen verteidigen, auch wenn es (vielen) weh tut

Pricing ist ja bekanntermaßen der am schnellsten greifende Hebel zur Profit- und Margensteigerung – bzw. in diesem Fall richtigerweise der Profit- und MargenSICHERUNG. Doch nicht alle Maßnahmen lassen sich (aufgrund laufender Verträge) direkt umsetzen. Wir beginnen mit den kurzfristigen Taktiken und kommen dann zu den längerfristigen Maßnahmen.

Maßnahme Nr. 1: Zuschläge
Etwa ein Viertel der befragten Unternehmen hat vorübergehende oder dauerhafte Zuschläge auf ihre Verträge eingeführt, z. B. für steigende Dieselkosten. Was Logistikfirmen wie DB Schenker teilweise schon vor Jahren eingeführt haben, taucht nun also auch immer häufiger in Verträgen mit Produktionsfirmen auf. Der Diesel-Zuschlag ist oft eine gute Möglichkeit, da Kunden Kraftstoffe nicht direkt mit dem Produkt in Verbindung setzen, und so erst durch im Gespräch über diese indirekten Kosten Verständnis für die Notwendigkeit von Preiserhöhungen entsteht. Unsere Gesprächspartner bestätigten, dass viele Kunden (und insb. Einkäufer) weniger preissensibel auf separate Zuschläge als auf Erhöhungen des Kernproduktpreises reagieren.

Die folgenden Maßnahmen 2 bis 4 zur Nachverhandlung von bestehenden Verträgen wurden in den Expertengesprächen zwar oft einzeln genannt, lassen sich jedoch sehr gut in einem Eskalationsstufen-Model nutzen, sprich: Starten Sie mit der Neuverhandlung (Maßnahme Nr. 2) und greifen Sie erst zu weiterführenden Maßnahmen (siehe Nr. 3 und 4, inklusive notfalls der Kündigung bestehender Verträge), wenn diese Maßnahme nicht ausreichend greift.

Maßnahme Nr. 2: Neuverhandlung von Verträgen
Auch bei bestehenden, möglicherweise langfristigen Verträgen sind Nachverhandlungen oft möglich – denn beide Seiten haben ja ein Interesse daran, die Geschäftsbeziehungen aufrechtzuerhalten. Kunden ist nicht geholfen, wenn ihre Produktionsfirmen bzw. Zulieferer pleite gehen oder sie in der Lieferung depriorisiert werden (Zitat: „Hat der Kunde nicht pünktlich seinen Zement auf der Baustelle, so kostet ihn der Baustillstand deutlich mehr als es die Preiserhöhung tut.“).

Mehr als die Hälfte der Unternehmen, mit denen wir gesprochen haben, konnten diese Maßnahme dank guter Kundenbeziehungen erfolgreich umsetzen. Entscheidend ist hier, Kunden segmentspezifisch (Key Accounts mit entsprechend größerer Vorbereitung als Long Tail Kunden) individuell anzusprechen, um Verhandlungen im Sinne des Fortbestehens der gemeinsamen Beziehung einzuleiten. 

Maßnahme Nr. 3: Harte Preiserhöhungen
Alternativ zu individuellen Verhandlungen können Preise natürlich auch über die gesamte Kundenbasis hinweg direkt erhöht werden. Wir haben gesehen, dass auf die Kommunikation flächendeckender Preiserhöhungen hinweg oft nur ein Bruchteil der Kunden an den Verhandlungstisch kommt – und überraschend viele Kunden die Preiserhöhungen doch einfach hinnehmen. Falls notwendig, können Kunden, die die Preiserhöhung nicht akzeptieren möchten, auf verschiedenen Dimensionen depriorisiert werden (z.B. Lieferzeiten, Service), um denjenigen Kunden besser entgegenzukommen, zu können, die kooperieren. 

Maßnahme Nr. 4: Kündigung des Vertrages
Als letzte Maßnahme sollte überprüft werden, ob Verträge, die durch die gestiegenen Rohstoffpreise nicht auf ein Mindestmaß an Rentabilität neu verhandelt werden können, nicht aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gekündigt werden sollten.

Pricing-Maßnahmen über Quick Wins hinaus: Vertragswerke krisenfest aufsetzen

Aufgrund der starken ökonomischen Lage der letzten 20 Jahre, inklusive relativ konstanter Inflationsraten, haben es sich viele Unternehmen „gemütlich“ gemacht und bei Langzeitverträgen auf Klauseln oder Vertragselemente verzichtet, die viel Flexibilität im Pricing erlauben – wofür sie nun teilweise teuer bezahlen. Um dies in Zukunft zu verhindern, stellen wir nun vier weitere Maßnahmen vor, die Firmen mit langfristiger Perspektive in Betracht ziehen sollten, um sich gegen zukünftige Risiken abzusichern.

Maßnahme Nr. 5: Preisgleitklauseln (weich)
Sogenannte „weiche“ Preisgleitklauseln können ein sehr hilfreicher Wegbereiter für die in Maßnahme Nr. 2 beschriebenen Nachverhandlungen sein. Es handelt sich um Vertragsklauseln, die ein Nachverhandeln bei Bedarf bereits vorab festschreiben. Unsere befragten Experten gaben an, mit Sätzen wie „Wenn Energie-/Materialpreise oder Inflation über x % steigen, müssen wir binnen 30 Tagen die Konditionen neu verhandeln“ gute Erfahrungen gemacht zu haben.

Maßnahme Nr. 6: Preisgleitklauseln (hart)
Die zweite, „härtere“ Option einer Preisgleitklausel ist noch direkter und basiert auf konkreten Kennzahlen. Hier wird eine Preissteigerung vertraglich an einen Index gekoppelt. Ein Beispiel: „Steigt der Energie-/Materialpreis oder die Inflation über x %, wird der Preis automatisch zum nächsten Monat um y % angepasst.“

Dabei gilt zu bedenken, ob sich eine Preissenkung am Rohstoffmarkt auch in einer fairen Preissenkung gegenüber den Kunden niederschlagen soll, oder ob lediglich Preissteigerungen weitergegeben werden sollen. Der o.g. Dieselfloater (Maßnahme Nr. 1) von DB Schenker oder DHL funktioniert ähnlich und passt sich monatlich in Abhängigkeit des Indexpreises nach oben oder unten für alle Kunden an.

Maßnahme Nr. 7: Aufpreis für Preisstabilität
Viele Branchen, wie z.B. der Stahlhandel, arbeiten mit Spotpreisen, d.h. Preisen, die täglich oder in real-time neu festgelegt werden. Längerfristige Preisgarantien gibt es hier in der Regel nicht, könnten jedoch mit Hilfe eines „Preisstabilitätsaufschlags“ angeboten werden. Ein mögliches Angebot wäre dann z.B. “eine Abnahmemenge von bis zu xx Tonnen kann in den nächsten sechs Monaten abgerufen werden zu einem Festpreis von yy € je Tonne (welcher sich zz % über dem heutigen Spotpreis befindet)”. Ein solches Angebot kann im Anschluss durch die oben beschriebene Hedging-Strategie direkt abgesichert werden, wodurch quasi nur die „Versicherungskosten“ an den Kunden weitergegeben werden.

Maßnahme Nr. 8: Kürzere Vertragslaufzeiten
Langfristige Verträge mit festen Preisen garantieren zwar Planungssicherheit, sind allerdings in Zeiten steigender Material- und Lohnkosten oft nachteilig für den Verkäufer. Wir beobachten einen Trend, Vertragslaufzeiten von Jahresverträgen auf Quartalsverträge zu reduzieren. Vereinzelt führen Firmen, z.B. Anbieter chemischer Produkte, die geopolitisch bestimmt kritische Materialien liefern, sogar Wochenverträge ein.

So, wie sieht’s denn jetzt aus? Werden eure Maßnahmen denn auch in der Praxis angewandt?

Wir stellten uns die gleiche Frage! Haben wir uns nun theoretische Kopfgeburten ausgedacht oder sind das wirklich auch konkret genutzte Maßnahmen? Anfang April haben wir ein Webinar mit 67 Unternehmensvertretern veranstaltet, in dem wir sie gefragt haben.

Wie man sieht, sind unsere Maßnahmen durchaus schon in der Praxis angekommen. Über die Hälfte der bei der Umfrage teilnehmenden Unternehmen haben bereits Verträge nachverhandelt und/oder radikal ihre Preise erhöht. Für die Zukunft setzen rund zwei Drittel der Unternehmen auf Preisgleitklauseln, seien sie „weich“ oder „hart“. Sogar die „drastische“ Maßnahme, bei der man ausgewählten (unprofitablen) Kunden den Vertrag kündigt, wurde von 14 % der Unternehmen in Betracht gezogen. Die bisher am wenigste genutzte Maßnahme ist der Aufpreis für Preisstabilität, was möglicherweise an der relativ komplexen Vertragsgestaltung bzw. dem involvierten Hedging Prozess liegen könnte.  

Best Practices für die Umsetzung: Sie klingen trivial, sind aber extrem wichtig für den Erfolg der Maßnahmen 

All diese Maßnahmen leben von ihrer erfolgreichen Umsetzung. Wie bringen wir diese Änderungen im Pricing nun auf die Straße? Im Gespräch mit unseren Experten haben wir einige Best Practices “zwischen den Zeilen” identifiziert, die die Implementierung dieser Maßnahmen enorm erleichtern können.

  1. Mit wem verhandeln wir?
    Preise sollten in Krisenzeiten nicht unbedingt mit den Einkaufsabteilungen, sondern mit dem Management der Kunden verhandelt werden. Während der Verkäufer am Erfolg seiner Preisverhandlung gemessen wird, ist das Management Ihrer Kunden vor allem daran interessiert, den Betrieb am Laufen zu halten und deswegen eine gute Beziehung zu den Lieferanten zu pflegen. So streicht man den doch erheblichen Einfluss eines persönlichen Boni-Ziels des Einkäufers aus den Verhandlungen.
  2. Wer hat eigentlich die Macht?
    Wir neigen dazu, unsere Macht in Verhandlungen zu unterschätzen. Durch eine bestehende Beziehung mit einem Kunden entstehen unmittelbare (nicht zu unterschätzende) Wechselbarrieren für die andere Seite. Nehmen Sie sich Zeit, die Machtverhältnisse zwischen dem eigenen Unternehmen und einzelnen Kunden genau zu verstehen – die Ausgangsposition könnte besser sein, als man vielleicht zuerst denken mag.
  3. Was müssen wir eigentlich herausholen?
    In vielen (v.a. großen, internationalen Unternehmen) ist die (zentrale) Kostenkalkulation komplex, langwierig und in diesen schnell lebenden Zeiten auch veraltet. Um einen aktuellen Business-Case je Lieferantenbeziehung zu haben (und zu wissen, wie weit man preislich gehen muss), bedarf es einer stets aktuellen Kostenkalkulation für die dezentral agierenden Preisentscheider. Letztere, oftmals Vertriebsmitarbeiter, können nur fundierte Preisentscheidungen treffen, wenn sie genau wissen, wie sich die Kostensteigerungen im individuellen Fall auswirken.
  4. Alternativen statt Friss-oder-stirb?
    Statt Kunden mit Preiserhöhungen die Pistole auf die Brust zu setzen, können Optionen angeboten werden, wie die unvermeidlichen Kostensteigerungen kollaborativ aufgeteilt werden. Eine Erhöhung der Wahlmöglichkeit wird die Zufriedenheit auf Kundenseite steigern. Lieferanten können ihren Kunden Möglichkeiten anbieten, über die beste Lösung mitzuentscheiden – z. B. eine starke kurzfristige Preiserhöhung gegenüber einer geringeren langfristigen Erhöhung. 
  5. Wie transparent sollten Lieferanten sein?
    Es bleibt eine individuelle Entscheidung, welchen Grad an Transparenz man Kunden gegenüber bieten will. Unsere Gespräche zeigen hier kein klares Bild: Manche Unternehmen machen ihren Business-Case und ihre Kostensteigerungen extrem transparent, andere kommunizieren lediglich die erforderliche Preiserhöhung. Transparenz wird häufig sehr geschätzt. Auf der anderen Seite läuft man so Gefahr, dass die Gültigkeit der Annahmen vom Käufer (insb. von deren Einkauf) infrage gestellt wird und zu weiteren Diskussionen zur Validität der zugrunde liegenden Annahmen führen. Unsere Expertengespräche haben gezeigt, dass dies eine sehr individuelle Entscheidung ist, die stark von der bestehenden Kundenbeziehung abhängt. 
Fazit: Selten wurden kurzfristige Preisanpassungen so akzeptiert wie in der aktuellen Zeit

Obwohl wir die steigenden Inflationsraten im Moment als Herausforderung betrachten, ergeben sich durchaus auch Chancen. Fehler, die in der Vergangenheit bei der Preisgestaltung gemacht wurden, können nun ausgeglichen werden, um Gewinnspannen zu halten und langfristig ggf. sogar zu verbessern. Unternehmen müssen ihren Vertriebsabteilungen die Möglichkeit geben, über reine Preisdiskussionen mit Kunden hinaus zu einer tieferen Kommunikation über gemeinsame geschäftliche Anliegen zu verhandeln. Sie haben jetzt die Chance, interne Infrastrukturen und passende Prozesse aufzubauen, um mit einer disziplinierten und dynamischen Preisgestaltung einen Motor für künftiges Wachstum und Gewinne zu schaffen. Entscheidend hierbei ist, ein gutes Verständnis über die eigenen Möglichkeiten und Potenziale im Pricing aufzubauen und dieses Wissen an die eigenen Vertriebsabteilungen weiterzugeben.

Firmen, die diese Chancen wahrnehmen und umsetzen, werden nicht nur in der Lage sein, ihre Umsätze, Gewinnspannen und die Kundenloyalität zu verbessern, sondern sind auch für zukünftige Schocks auf dem Markt, seien sie inflationsbedingt oder nicht, bestens gewappnet.

Autor

Dr. Sebastian Voigt

Dr. Sebastian Voigt ist Partner bei hy und verantwortlich für die Pricing and Sales Business Unit. Sebastian studierte Wirtschaftsinformatik und promovierte an der TU Darmstadt zu Monetarisierungsstrategien von digitalen Marktplätzen. Seit über 15 Jahren entwickelt er profitable digitale Geschäftsmodelle. Er arbeitete u.a. als Director bei der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners, leitete die Projektteams der Investmentholding von Axel Springer und nahm operative Führungspositionen innerhalb von Bertelsmann und ProSiebenSat1 ein.
Autor

Felix Van Walbeek

Felix van Walbeek ist Analyst im Modern Finance and Innovation Team und berät unsere Kunden bei der Implementierung von Innovationsprozessen. Felix studiert aktuell im Master an der Technischen Universität München Technology & Management mit den Schwerpunkten Informatik & Finance. Während seiner Zeit bei dem Early-Stage Investor Plug and Play, unterstützte er diverse Investmentprozesse und war beratend bei Partnerunternehmen von Plug and Play im Corporate Innovation Bereich tätig.