Wir sehen unsere externen Expert:innen als Wettbewerbsvorteil – Ein Gespräch über die hy Freelancer Plattform

04.07.2022 – Ein Interview mit Steffen Vollmerding

Steffen, seit geraumer Zeit arbeitet hy neben der Erstellung von Wachstumsstrategien auch am Bau von Prototypen, MVPs, neuen Business Units und Ventures. Hier spielen ja häufig ganz andere Fähigkeiten eine Rolle als in der klassischen Strategieberatung. Habt ihr diese Kompetenzen alle in-house? Oder mit welchen Expert:innen besetzt ihr diese Projekte? 

Das stimmt. Wir sind seit geraumer Zeit im Business Building aktiv und haben auch kürzlich eine Reihe von Plattformen, Service-orientierte Ventures sowie D2C Brands an den Markt gebracht. Bei allen Ventures bedarf es natürlich einer Reihe von spezifischen Skills, um über das Foliendeck hinaus zu gehen und diese zu bauen, z.B. UX/UI Design, Kenntnisse in bestimmten Programmiersprachen oder tiefe Einsichten in den Bau von gut konvertierenden Marketing Funneln. Diese Skills haben wir nicht intern, d.h. nicht in Form von festangestellten Mitarbeiter:innen, sondern wir greifen auf unsere eigens dafür geschaffene Freelancer Plattform zurück, die im Grunde Expert:innen-Wissen sowie Arbeitskraft vereint, um verlässlich immer genau die Skills für ein Projekt abrufen zu können, die wir brauchen. Im Kern positionieren wir uns als emphatischer Mitunternehmer, d.h. wir betrachten jedes Venture als unser eigenes Baby. Das heisst, wir wollen natürlich auch genau die Skills auf dem Thema haben, die für ein optimales Outcome benötigt werden.

Wäre es nicht einfacher gewesen, mehr von den entsprechenden Personen einzustellen? Im Rahmen der momentan Wachstumspläne von hy und der Vergrößerung der Teams würde es dafür doch bestimmt die Möglichkeit geben. 

Wir könnten natürlich für jedes dieser Felder Expert:innen einstellen, tun dies aber aus genau zwei Gründen nicht. Da wir industrie-agnostisch arbeiten, sind unsere Business Building Projekte auch inhaltlich sehr unterschiedlich. Es kann sich z.B. um einen Online-Konfigurator für Keramikbauteile handeln, um eine Direct-to-Consumer Brand für Männerkosmetik oder um einen Product Builder für Influencer. Und jedes neue Produkt bzw. Venture erfordert ein unterschiedliches Set an Skills und Expertise für die Umsetzung. Wenn wir für jeden dieser Cases, Expertinnen hätten, wäre es nicht sichergestellt, dass sie auch kontinuierlich ausgelastet sind. 

Darüber hinaus, und das ist meines Erachtens viel wichtiger, hätten wir mit Festgestellten in diesen Bereichen auch einen Bias in der Aus- und Weiterführung von Projekten. Beispielsweise führen wir Validierungen durch, bei denen wir am Ende eine Go- oder No-Go Entscheidung zum Bau eines Ventures geben müssen. Wenn ich dann ein ganzes Team von Developern oder ähnlichen Expert:innen in meinem Büro habe, die gerade auf den nächsten Auftrag warten, bin ich bei einer knappen Entscheidung wahrscheinlich eher gewillt die Empfehlung in Richtung Build zu drehen – hier wart die Arbeit mit Freelancern unsere Neutralität. 

Insgesamt untermauert die Freelancer Plattform aber nicht nur die Business Building Teams, sondern auch die anderen Teams, wie Strategy, Pricing and Monetization, Modern Finance, etc. Auch in diesen Teams gibt es eine Reihe von Domain Expertisen, sei es z.B. in einem Opportunity Landscaping (also unserer Art der Identifikation von Wachstumsfeldern) im Logistik-Bereich oder in einem Pricing-Projekt, für die es sich nicht lohnen würde Vollzeitkräfte bei hy anzustellen, auf die wir jedoch auf unseren Projekten mit den Inhalten und Tiefe von Insights, die sie beisteuern, auf keinen Fall verzichten möchten. 

Ein letzter Punkt umfasst die weitere Entwicklung unserer Mitarbeiter:innen. Wir haben innerhalb von hy Entwicklungspfade für Berater:innen (und Stabsfunktionen), aber keine dedizierten Laufbahnen für UI/UX Designer, Developer, etc. Unsere Skill Matrix zeigt für jedes Level in der Berater-Laufbahn die Fähigkeiten auf, die erlernt bzw. gezeigt werden müssen, damit man z.B. Engagement Manager, Vice President, etc wird. Das möchten wir natürlich auch beibehalten. Derzeit würden dedizierte Laufbahnen für Entwickler, Designer etc den Rahmen sprengen, speziell, wenn auch hier Führungspositionen angestrebt werden – dafür muss natürlich erst mal eine bestimmte Größe der Organisation gegeben sein. 

Wo wir gerade beim Wachstum von hy und der Entstehung von weiteren Teams sind, damit müsste doch eigentlich irgendwann ein Punkt erreicht sein, dass die meisten Skills Inhouse verfügbar sind. Oder siehst Du auch langfristige Gründe für die Plattform?

Als Anfang 2021 unser erster Team Split stattfand und wir von einem großen Team in die Spezialisierungen Strategie, Business Building und Executive Advisory gegangen sind, haben wir auch den Trend des Unbundling von Consulting mitgedacht. Der Value Stack einer Beratung besteht ja in der Regel aus Team Leadership, Projektmanagement, Infrastruktur bzw. Stabsfunktionen sowie der eigentlichen Arbeitskraft und der Expertise in bestimmten Bereichen. Während es von Anfang an klar war, dass wir die ersten drei Komponenten als Kern unserer internen Wertschöpfung ansehen, haben wir uns bei der erweiterten Arbeitskraft sowie der Expertise in bestimmten Bereichen dafür entschieden, diese von extern zu sourcen und damit – gerade weil manche davon so personalintensiv sind – flexibel zu bleiben. 

Wie stellt sich so ein Setup aus Festangestellten und Freelancer gegenüber den Kunden dar? 

Wir sind hier in der Kommunikation vollständig transparent, aber in der Umsetzung merkt der Kunde in der Regel nichts von dieser Team-Zusammensetzung aus Mitarbeiter:innen und Freelancern. Und so soll es auch sein. Auf Projekten arbeiten Teams aus 3-8 Personen und am Ende zählt das Resultat, also die Ablieferung der Deliverables, die wir vor Beginn des Projektes mit den Kunden vereinbart haben. Nur daran werden wir gemessen. D.h. am Ende des Tages gehen wir auch hier mit ins Risiko. Wir definieren auch in Building Projekten nicht nur eine klare Timeline bis das MVP, etc stehen soll, sondern wir committen uns auch auf einen Fixpreis. Da wir teilweise sehr weit vorne in der Building-Wertschöpfungskette anfangen, z.B. mit der Spezifikation einer „Idee auf einem Bierdeckel“, sind wir auch häufig an dieser Stelle schon gefragt, eine Einschätzung zu geben, wie viel die spätere Umsetzung kosten wird. Beim möglichen Bau einer Plattform müssen wir auf Basis von Hypothesen bereits den späteren geschätzten Beitrag von Freelancern, z.B. Designern und Developern, berücksichtigen. Hier müssen wir genau kalkulieren und uns auf unsere Erfahrungswerte verlassen, damit es am Ende kein Verlustgeschäft wird. 

Jetzt gibt es ja auch eine Reihe von existierenden Freelancer Plattformen. Warum wendet ihr euch dabei nicht einfach an diese?

Wir brauchen für unsere Aufgaben sehr spezifische Skillsets, die genau auf unser Anforderungsprofil hin kuratiert sind. Momentan gibt es unseres Erachtens keine Plattform am Markt, die genau das liefert. Darüber hinaus bekämen wir damit natürlich auch keinen Wettbewerbsvorteil und es wäre zudem schwierig, die Freelancer auf ein gemeinsames Verständnis des „hy way“ der Beratung einzuschwören. Wir möchten hier natürlich eine gewisse Vorselektion vornehmen und gleichzeitig sicherstellen, dass wir mit demselben Selbstverständnis an Projekte herangehen. 

Um auch hier vollständig transparent zu sein: Wenn wir gerade eine größere Anzahl von Expert:innen für ein bestimmtes Thema oder reinen Support in der Execution ohne über das Basic Berater-Skillset hinausgehende Skills benötigen, arbeiten wir auch mit dedizierten Partnern bzw. Partnerplattformen zusammen, die uns exakt diese Profile innerhalb sehr kurzer Zeit zur Verfügung stellen können.

Wie kommt ihr an die entsprechenden Freelancer heran? Wie kann ein Freelancer auf die hy Plattform kommen? 

Wir haben mittlerweile ein großes Kernteam aus sehr fähigen Berater:innen mit insgesamt vielen Jahren Erfahrung aus Startups, Corporate und vor allem eigenen Gründungen. Während all dieser Jahre haben viele von ihnen natürlich auch bereits mit Freelancern zusammengearbeitet. Speziell die „Bekanntschaften“ von unseren ehemaligen Gründer:innen und „Side-Hustler:innen“ sind natürlich besonders interessant für das Business Building Team, da diese Personen in der Regel das Maß an Proaktivität bzw. der Fähigkeit die Ärmel hochzukrempeln mitbringen, das wir benötigen. Sobald jemand identifiziert ist, wird diese Person eingeladen – die Plattform ist invite-only -, meldet sich über unser standardisiertes Formular an und im Nachgang gibt es noch ein Interview zu Skills, Hintergründen, genereller Verfügbarkeit, Präferenzen, etc.

Das bringt uns zum Qualitätsthema. Bei hy selbst gibt es ja einen mehrstufigen Auswahlprozess für alle Berater:innen. Wie stellt ihr sicher, dass Gleiches auch für die Freelancer gilt und qualitativ hochwertige Ergebnisse geliefert werden?

Wie erwähnt besetzten wir die Plattform in erster Linie über die Empfehlungen unserer existierenden Mitarbeiter:innen, die in erster Instanz für die Freelancer bürgen können. Damit existiert schon mal ein gewisser Filter. Darüber hinaus haben wir ein internes Bewertungssystem, d.h. so wir auch wir uns als Projekt-Team bzw. hy als Ganzes vom Kunden am Ende eines Projektes bewerten lassen und auch jede:r Mitarbeiter:in bei uns durch den Entwicklungsdialog geht, bewerten wir natürlich auch unsere Freelancer nach jeder Zusammenarbeit – so dass auch nicht mit dieser Person persönlich bekannte Kolleg:innen wissen, für welche Aufgaben der Freelancer geeignet ist. 

Gibt es auch Probleme bei der Einbindung von Freelancern?

Die größte Herausforderung ist sicherlich die Verfügbarkeit. Speziell wenn bei uns Projekte schnell gestaffed werden müssen, was häufig vorkommt, kann es natürlich sein, dass Leute, die wir benötigen, gerade auf anderen externen Projekten eingespannt sind. Das Gute ist jedoch, dass wir bestimmte Expertisen häufig nur in Teilzeit auf Projekten brauchen, d.h. wir können Teilzeit-Arrangements finden. Darüber hinaus brauchen natürlich auch wir bestimmte Expertisen, die momentan am Markt besonders gefragt sind, z.B. bestimmte Entwickler:innenkapazitäten, die nicht rumliegen wie Sand am Meer. Hier haben wir die Möglichkeit auf eine Reihe von institutionellen lokalen, near-shore und off-shore Partner zurückzugreifen, zu denen wir oder unsere Mitarbeiter über viele Jahre bereits eine Vertrauensbeziehung aufgebaut haben und die ebenfalls z.B. Prototypen oder MVPs abliefern können.

Was wird in Zukunft mit der Plattform passieren, wie wird diese sich weiterentwickeln, wenn auch hy weiter wächst?

Die Freelancer Plattform bzw. das Konzept unseres plattform-basierten Ansatzes im Business Building wird allein schon aus oben genannten allgemein-strategischen Gründen Bestand haben und mit hy und unseren Wachstumsplänen weiter skalieren. Das ist auch gar nicht anders möglich, da wir im hart umkämpften Bewerber:innenmarkt gar nicht so schnell nachhiren können, wie es unseren Wachstumszielen entspricht. Außerdem wird das Angebot unserer Beratungsdienstleistungen sich weiter auf am Ende alle Bereiche ausweiten, die für ein ambitioniertes Wachstum maßgeblich sind. Auch hier gilt wieder, dass wir – unternehmerisch – für jeden Case und jede Komponente die absolut beste Expertise für die jeweilige Frage heranziehen möchten. Dies lässt sich optimal über die Freelancer-Plattform, die ja auch eine Experten:innen-Plattform ist, abbilden. Wir möchten jedem Projekt, jedem Case und jedem Kunden ein optimales Setup zur Verfügung stellen – dafür stehen wir ein in unserer Rolle als emphatischer Mitunternehmer und daran lassen wir uns gerne messen. 

Autor

Steffen Vollmerding

Steffen Vollmerding unterstützt als Partner unsere Kunden bei der Validierung und beim Aufbau neuer Geschäftsbereiche. Vor seiner Zeit bei hy leitete er als Geschäftsführer Pkw.de, eine der größten Online-Autobörsen in Deutschland. Zuvor gründete er sein eigenes eCommerce Business, war an der Gründung der Customer Intelligence Platform zeotap beteiligt und trieb maßgeblich den Aufbau von Vodafones globaler Data Analytics Unit voran. Steffen hat einen Bachelor der Jacobs University Bremen und einen Master der University of Oxford.