Risiko Inaktivität: Web3 vom unterschätzten Trend zum Muss für CFOs
Web3-Technologien als “Business Case” für die dringendsten Herausforderungen moderner CFOs
Mit der zunehmenden Dynamik globaler Finanzmärkte stehen CFOs unter steigendem Druck, Prozesse effizienter und transparenter zu gestalten, während sie gleichzeitig strategische Wachstumsperspektiven eröffnen müssen. Unternehmen, die nicht rechtzeitig handeln, laufen Gefahr, von agileren Wettbewerbern abgehängt zu werden. Für uns Europäer bietet sich jedoch ein Vorteil: Mit der „Markets in Crypto-Assets” Regulation (MiCA) der EU stärkt die aktuelle Regulatorik unsere Vorreiterrolle und verschafft uns Rückenwind im internationalen Vergleich.
Web3 eröffnet CFOs innovative Möglichkeiten, um Zahlungsströme zu optimieren, Vermögenswerte effizienter zu managen und Prozesse zu automatisieren. Diese Ansätze sind entscheidende Hebel, um in einem dynamischen Marktumfeld wettbewerbsfähig zu bleiben. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die zentralen Herausforderungen, denen CFOs heute begegnen, und zeigen praxisnahe Lösungen auf, wie Web3 diese adressieren kann – untermauert durch inspirierende Erfolgsbeispiele.
Zentrale Herausforderungen — und ihre Web3-Lösungen
Mit Stablecoins die Komplexität internationaler Zahlungsströme meistern und Kosten senken
Das Problem für CFOs: Während inländische Zahlungen mittlerweile nahezu in Echtzeit erfolgen, steht die Abwicklung internationaler Geldtransfers weiterhin vor Herausforderungen. Unterschiedliche Regulierungen und Finanzsysteme bilden ein komplexes Geflecht, das Prozesse verlangsamt, Transparenz mindert und schlicht teuer ist. Traditionelle Bankensysteme schaffen es nicht mehr, den hohen Anforderungen an Geschwindigkeit und Flexibilität gerecht zu werden.
Die Web3-Lösung: Die Integration von Stablecoins gestaltet schon heute den internationalen Zahlungsverkehr grundlegend neu. Stablecoins ermöglichen u.A.:
- Sofortige grenzüberschreitende Transaktionen: Mit Stablecoins können Transaktionen nahezu in Echtzeit erfolgen, unabhängig von nationalen Grenzen oder Banköffnungszeiten.
- Vollständige Transparenz: Jede Transaktion wird in einer unveränderlichen Blockchain-Datenbank festgehalten, was die Rückverfolgbarkeit und Auditierbarkeit drastisch verbessert.
- Drastisch reduzierte Prozesskosten: Durch die Eliminierung von Zwischenhändlern und die Effizienz der Blockchain sinken die Transaktionsgebühren erheblich – von durchschnittlich $44 pro internationalem Transfer auf lediglich $1 bei USDC (einem populären, Dollar-denominierten Stablecoin).
Stablecoins sind bereits heute der führende Web3 Business Case innerhalb bestehender Systeme. Ein Blick auf USDC verdeutlicht das Wachstumspotenzial: Die Marktkapitalisierung des Stablecoins stieg von rund €460 Millionen Anfang 2020 auf aktuell beeindruckende €38 Milliarden an.
Erfolgsbeispiel: Visa zeigt mit seiner Circle-Partnerschaft die praktische Umsetzung. Durch die Integration MiCA-konformer Stablecoins in USD und Euro erreicht das Unternehmen 60 Millionen Händler weltweit mit sofortigen, kostengünstigen Zahlungsmöglichkeiten.
Vermögenswerte und Kapitalbeschaffung effizient managen durch Asset-Tokenisierung
Das Problem für CFOs: Die Verwaltung und Handelbarkeit von Vermögenswerten wird durch komplexe rechtliche Strukturen, mangelnde Liquidität und hohe administrative Kosten erschwert. Dies bindet wertvolle Ressourcen und limitiert Wachstumsmöglichkeiten.
Die Web3-Lösung: Die Tokenisierung von Assets schafft deutlich erweiterte Handlungsmöglichkeiten im Vermögensmanagement. Die Tokenisierung birgt zahlreiche Vorteile:
- Erhöhte Liquidität: Tokenisierte Assets können auf Primärmärkten emittiert und anschließend auf Sekundärmärkten gehandelt werden. Dieses Zusammenspiel erleichtert den Zugang zu Kapital und schafft neue Handelsmöglichkeiten – insbesondere auch für illiquide Immobilien und Hochzinsanleihen kleinerer Emittenten.
- Reduzierte Kosten: Durch die Automatisierung administrativer Aufgaben und die direkte Abwicklung von Transaktionen sinken operative und juristische Kosten.
- Globale Zugänglichkeit: Blockchain-basierte Vermögenswerte sind unabhängig von geografischen und regulatorischen Barrieren handelbar, was neue Investorengruppen anspricht.
Die Gesamtsumme tokenisierter Vermögenswerte beträgt aktuell knapp $6.5 Milliarden — Anfang 2023 waren es noch nicht einmal $760 Millionen. Marktprognosen deuten auf ein vielversprechendes Wachstum von tokenisierten Vermögenswerten in den nächsten Jahren hin: Roland Berger schätzt, dass der Marktwert tokenisierter Assets bis 2030 $10.9 Billionen erreicht. Die Boston Consulting Group geht sogar von $16 Billionen aus.
Erfolgsbeispiele: BlackRock’s tokenisierter Fond “BUIDL” erreichte Anfang Dezember 2024 eine Marktkapitalisierung von über $530 Millionen. Auch Société Générale demonstriert mit “SG-Forge” durch die Tokenisierung von Anleihen und Immobilien die Effizienzgewinne dieser Technologie, indem die Liquidität und Zugänglichkeit dieser Assets verbessert werden.
Doch nicht nur große Banken beschäftigen sich mit der Tokenisierung von Vermögenswerten — auch deutsche Mittelständler sind bereits im Rennen. Die Lindner Hotel Group führte 2024 zusammen mit tokenforge den Lindner Digital Hotel Bond ein — eine innovative digitale Anleihe, die Investitionen in die Hotelbranche neu definiert. Neben erhöhter Transaktionssicherheit bietet die digitale Investmentplattform z.B. flexible Auszahlungsoptionen, bei denen Investoren zwischen jährlichen Barauszahlungen oder erhöhten Renditen in Form von Hotel-Gutscheinen wählen können.
Prozesse automatisieren mit Smart Contracts — und zukünftig AI Agents
Das Problem für CFOs: In vielen Unternehmen sind Finanzprozesse noch immer durch manuelle Schritte geprägt. Ob Vertragsmanagement, Zahlungsabwicklung oder Compliance-Prüfungen – ineffiziente, fehleranfällige Abläufe verursachen hohe Kosten und binden wertvolle Ressourcen. Insbesondere repetitive Aufgaben, wie die Überprüfung von Zahlungen oder das Einhalten vertraglicher Bedingungen, stehen der strategischen Weiterentwicklung im Weg.
Die Web3 Lösung: Smart Contracts können Finanzprozesse signifikant automatisieren und optimieren. Dadurch werden Ressourcen für strategische Aufgaben freigesetzt. Smart Contracts ermöglichen:
- Automatisierte Vertragsabwicklungen: Zahlungen und Leistungen werden sofort und ohne Intermediäre ausgelöst, sobald vordefinierte Bedingungen erfüllt sind.
- Fehlerreduktion und Effizienzsteigerung: Durch den Wegfall manueller Prüfungen und Eingaben sinkt das Risiko von Fehlbuchungen und Verzögerungen.
- Revisionssichere Dokumentation: Jede Transaktion und Vertragsausführung wird transparent und unveränderlich in der Blockchain gespeichert.
Ein konkreter Vorteil zeigt sich z.B. bei Lieferantenverträgen: Sobald eine Lieferung in einem Lager verbucht wird, könnte ein Smart Contract automatisch die entsprechende Zahlung auslösen. So werden Prozesse beschleunigt und Streitfälle minimiert.
Erfolgsbeispiel: JPMorgan Chase entwickelte mit Quorum bereits 2016 eine Finanzplattform, die Ethereum-basierte Smart Contracts nutzt, um 300 teilnehmenden Banken bei der Automatisierung komplexer Prozesse zu unterstützen. Quorum ermöglicht die Erstellung maßgeschneiderter interorganisationaler Netzwerke, die Supply-Chain-Prozesse optimieren oder Versicherungsansprüche effizient abwickeln. Die Plattform zeichnet sich besonders durch ihre schnelle Transaktionsgeschwindigkeit von bis zu 200 Transaktionen pro Sekunde aus.
Ein spannender Ausblick: Die nächste Evolutionsstufe ist die Integration von AI Agents, die Smart Contracts mit intelligenter Analyse und Entscheidungsfindung kombinieren. Diese Agenten können etwa dynamische Vertragsbedingungen in Echtzeit anpassen oder alternative Lieferanten bei Engpässen automatisch identifizieren. Die Kombination der beiden Technologien verspricht eine neue Dimension der Automatisierung, Agilität und Präzision im Finanzmanagement.
MiCA als strategischer Vorteil für Web3 in Europa
Mit dem Inkrafttreten der „Markets in Crypto-Assets” Regulation (MiCA) im Juni 2024 setzt die EU weltweit Maßstäbe, indem sie den ersten einheitlichen Rechtsrahmen für Kryptowerte schafft. Diese Regulierung sorgt nicht nur für erhöhte Rechtssicherheit und stärkt den Schutz von Anleger:innen, sondern macht die EU auch zu einem attraktiven Standort für Unternehmen, die Web3-Technologien für ihre Finanzstrukturen einsetzen wollen.
MiCA verpflichtet auch Anbieter außerhalb der EU, seine Standards zu erfüllen, wenn sie Zugang zum europäischen Markt suchen. Dies verschafft der EU einen signifikanten Wettbewerbsvorteil, indem es gleiche Bedingungen schafft und europäische Marktteilnehmer regulatorisch besser aufstellt. Für CFOs, die Web3-Technologien wie Stablecoins oder Tokenisierung nutzen möchten, bietet MiCA damit nicht nur rechtliche Klarheit, sondern auch die Möglichkeit, Innovationen unter optimalen Rahmenbedingungen voranzutreiben.
Strategische Handlungsfelder für CFOs
Die Herausforderungen moderner CFOs lassen sich durch den Einsatz von Web3-Technologien in drei Kernbereichen lösen: Optimierung internationaler Zahlungsströme durch Stablecoins, effizientes Vermögensmanagement durch Asset-Tokenisierung und die Automatisierung von Prozessen mittels Smart Contracts im Zusammenspiel mit AI Agents.
Diese Blockchain-basierten Ansätze ermöglichen eine neue Dimension von Effizienz, Transparenz und Flexibilität, die traditionelle Finanzsysteme nicht bieten können. Mit Web3 als technologische Basis können CFOs nicht nur bestehende Engpässe bewältigen, sondern auch eine zukunftssichere Finanzstrategie entwickeln, die den gestiegenen Anforderungen an Geschwindigkeit, Skalierbarkeit, Kosteneffizienz und Innovation gerecht wird.
Vom unterschätzten Trend zum Muss für CFOs
hy arbeitet an der Schnittstelle der Web3 und Corporate-Welt. Wir freuen uns darauf, heute bereits maßgeblich relevante Anwendungen der Web3-Technologie gemeinsam mit unseren Partnern zu evaluieren und umzusetzen.
Mit Startschuss des kommenden Jahres planen wir eine Vielzahl an Initiativen, Arbeitskreisen und Events zu diesem wichtigen und komplexen Themenfeld – um dabei zu sein, melden Sie sich gerne direkt bei uns unter henning.daut@hy.co.