Closing the Loop – mit Innovationen und Startups zur modernen Kreislaufwirtschaft
01.02.2022 – Ein Beitrag von Pia Sander und Dr. Remi Smolinski.
Circular Economy Startups greifen gegenwärtige Probleme auf
Am 3. Januar dieses Jahres stieg Apples Börsenwert erstmals auf über 3 Billionen USD. Der Tech Konzern schreibt damit Wall-Street-Geschichte. Doch was ist die Kehrseite der Medaille? Weltweit werden jährlich fast 60 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert (Statista). Pro Kopf erzeugen wir Deutschen im Jahr davon ganze 19,4 Kilogramm (Destatis). Zudem werden aktuell weniger als 50 % der in den Verkehr gebrachten elektronischen Geräte wieder eingesammelt. Stattdessen werden Smartphones fälschlicherweise im Restmüll entsorgt oder verweilen ungenutzt in unseren Schubladen. Dabei sind die Kleingeräte hierbei nur die Spitze des Eisbergs, denn sie machen weniger als 9 % unseres Elektroschrotts aus (Global E-Waste Monitor).
E-Commerce Shops haben im Durchschnitt Retourenquoten von ca. 20 % (EHI). Im Fashion Bereich sind diese noch deutlich höher, bei Zalando liegt der Anteil der zurückgesandten Waren bei 50 % (Zalando). Wir Deutschen sind Retouren Champions. Doch was passiert mit unseren Rücksendungen? Im November letzten Jahres geriet Nike stark in Kritik, nachdem bekannt geworden war, dass unter dem Deckmantel des Recyclingprogramms “Nike Grind” systematisch Neuware, darunter auch Retouren, vernichtet wurde, um Lagerkosten und Markenimage schädigende Rabatte zu vermeiden (Zeit Online). Ähnliche Berichte gab es in der Vergangenheit bereits über Amazon oder H&M (WirtschaftsWoche) – und das trotz einer Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes im Jahr 2020.
Einweggeschirr und To-go-Verpackungen sorgten im Jahr 2017 für 347.000 Tonnen Müll in Deutschland – die steigende Nachfrage nach Take-Out in Corona Zeiten und der Boom von Lieferdiensten dürften diese Zahlen weiter in die Höhe getrieben haben (NABU). Und auch wenn wir Deutschen oft als “Recycling-Weltmeister” angepriesen werden, wird aktuell nur 15,6 % unseres Plastiks wiederverwertet (Heinrich Böll Stiftung, BUND). Ein Lichtblick: Seit dem 3. Juli 2021 ist die Produktion vieler Einweg Plastikprodukte wie z.B. Trinkhalmen oder Geschirr in der EU endlich verboten worden und ab Januar dieses Jahres werden auch kostenlose Einweg-Plastiktüten aus deutschen Supermärkten verbannt.
Eine Reihe von Startups, die sich der Circular Economy verschrieben haben, greifen diese Probleme auf und erfreuen sich unter Risikokapitalgebern zunehmender Beliebtheit: Im Dezember letzten Jahres hat u. a. UK Fashion Rental Marktplatz HURR ein Seed Funding von 5,4 Millionen USD bekommen und auch das auf nachhaltige Verpackungen aus Algen spezialisierte Startup Notpla sammelte in einer Series A fast 13,5 Millionen USD ein. Zudem ist das wertvollste Einhorn Frankreichs aktuell keineswegs ein weiterer Quick Commerce Anbieter, sondern der Marktplatz für wiederaufbereitete Elektronikgeräte Back Market. Dieser sammelte im Januar 2022 weitere 510 Millionen USD ein, was dem Unternehmen eine Bewertung von 5,7 Milliarden USD beschert. Startups machen vor, wie ein Wandel zur Kreislaufwirtschaft gelingen kann. Deshalb haben wir die Geschäftsmodelle und das Impact Potential der Circular Economy Startup Landschaft im Folgenden einmal näher unter die Lupe genommen.
Von der linearen Ökonomie zur Kreislaufwirtschaft
Die Kreislaufwirtschaft steht im Gegensatz zum traditionellen, linearen Wirtschaftsmodell, welches oft auch als “Wegwerfwirtschaft” bezeichnet wird. Agiert wird nach dem Motto “Take – make – use – dispose” ohne Rücksicht auf planetare Grenzen. Die lineare Ökonomie bietet einen Anreiz zur Produktion von Waren mit kurzer Lebensdauer (Stichwort: geplante Obsoleszenz).
Dahingegen erwirtschaften Circular Economy Unternehmen durch Material- und Produktströme im Umlauf ihre Gewinne und es geht darum, Ressourcen über eine möglichst lange Nutzungsphase im Kreislaufsystem zu halten. Kreislaufwirtschaft ersetzt somit das “End-of-Life-Konzept” der linearen Wirtschaft. Laut der Ellen MacArthur Stiftung beschreibt Kreislaufwirtschaft ein Wirtschaftssystem, das auf drei Prinzipien basiert: Abfall und Umweltverschmutzung zu vermeiden, Produkte und Materialien in Gebrauch zu halten und natürliche Systeme zu regenerieren (Ellen MacArthur Foundation). Kreislaufwirtschaft ahmt Prozesse der Natur nach und entkoppelt ökonomische Aktivität vom Konsum endlicher Ressourcen.
Ziel einer Kreislaufwirtschaft ist eine ressourceneffiziente und nachhaltige Verwendung von natürlichen Rohstoffen, deren Weiter- und Wiederverwertung innerhalb eines Kreislaufsystems sowie die Vermeidung von Abfällen. Kreislaufwirtschaft zielt u. a. darauf ab, den Konsum von Primärrohstoffen (z. B. unbearbeitete Rohstoffe wie Frischholzfasern für die Papierherstellung) zu reduzieren und durch Sekundärrohstoffe zu substituieren (z. B. durch Recycling gewonnene Holzfasern aus Altpapier). Das Recycling von Sekundärstoffen benötigt allerdings oft erhebliche Mengen an Energie und mitunter auch Chemikalien wie Bleichmittel. Downcycling (d.h. Materialien verlieren durch den Weiterverarbeitungsprozess an Qualität) statt Upcycling (d.h. es kommt zu einer stofflichen Aufwertung) ist die Regel, wodurch das recycelte Material am Ende einen geringeren Wert besitzt. Während Recycling ein Aspekt der Kreislaufwirtschaft ist, gibt es jedoch auch zahlreiche andere Strategien, welche Rohstoffe auf einem deutlich höheren Niveau nutzen.
Circular Economy Ökosystem: Kreislauffähige Geschäftsmodelle von Startups und was wir von ihnen lernen können
Im Laufe der letzten Jahre hat sich entlang des gesamten Produktlebenszyklus ein ganzes Ökosystem an Circular Economy Startups entwickelt. Mit ihren Strategien versuchen sie, natürliche Ressourcen zu schonen und so Umwelt und Mensch weniger zu belasten. Damit stellen sie lineare Wirtschaftsmodelle etablierter Konzerne infrage, welche sich von den Strategien und Wirkungsmechanismen der Startups so einiges abschauen können.
1. Für eine Kreislaufwirtschaft geeignete Ressourcen
Die Auswahl der richtigen Rohstoffe hat einen entscheidenden Einfluss darauf, ob ein Produkt oder Teile davon dem Kreislauf am Ende des Produktlebenszyklus erneut zugeführt werden können. Bio-basierte oder komplett recyclebare Ressourcen sollten bevorzugt werden. Zudem können neue, regenerative Materialien wie Textilfasern aus Meeresalgen, Leder aus Kaffeesatz oder Verpackungen aus Pilzen nicht erneuerbare Ressourcen ersetzen. Ein Beispiel hierfür ist das Startup Loliware, welches Strohhalme aus Seetang herstellt. Diese sind nicht nur vollständig biobasiert, essbar und hyperkompostierbar, der Seetang speichert auch CO2 und trägt so zum Klimaschutz bei. Die Firma Ananas Anam verkauft Piñatex, ein lederähnliches Naturtextil aus Ananasblattfasern, einem landwirtschaftlichen Abfallprodukt, und bietet so nicht nur eine Alternative zur chemie-intensiven Lederindustrie, sondern unterstützt auch Kleinbauern auf den Philippinen durch zusätzliche Einnahmen. Ein weiterer wichtiger Faktor, um die Circular Economy zu unterstützen und den Kreislauf zu schließen, ist das Nachverfolgen von Produkten vom initialen Rohstoff bis zum Recycler. So ermöglicht das Startup Circularise Produzenten, Materialien selbst über komplexe Lieferketten hinweg mittels Blockchain zu digitalisieren und nachzuverfolgen.
2. Ressourceneffizientes Design und Produktion
Rund 80 % der Umweltauswirkungen eines Produkts werden in der Designphase bestimmt. Produktdesign spielt also eine entscheidende Rolle in der Kreislaufwirtschaft und sollte idealerweise die unterschiedlichen Produktlebenszyklen berücksichtigen und auf Langlebigkeit und Wiederverwertbarkeit ausgerichtet sein. Circular.Fashion bietet neben Beratungsdienstleistungen im Bereich nachhaltigen Designs auch eine circularity.ID, welche in Produkte integriert werden kann (via QR Code oder NFC) und Aufschluss über Material- und Produktdaten gibt und so Wiederverwendung, Weiterverkauf und Recycling ermöglicht. Verbesserte Ressourceneffizienz kann auch durch innovative Fertigungsprozesse wie beispielsweise additive Fertigung erreicht werden. 3YOURMIND bietet eine Software Suite an, welche Arbeitsabläufe in der additiven Fertigung optimiert. Bei additiven Fertigungsverfahren ist die Rohstoffausnutzung höher als bei subtraktiven Verfahren und es können so Materialverschwendungen minimiert werden. Des Weiteren verkürzt 3D Druck durch die lokale Fertigung Transportwege und es können Kunststoffabfälle wiederverwendet werden.
3. Nachhaltige Verpackungslösungen
Doch nicht nur bei der Herstellung von Produkten, sondern auch bei dem Versand und Transport von Waren werden erhebliche Mengen an Rohstoffen verbraucht: Alleine Amazon verursachte im Jahr 2019 über 211 Millionen Kilogramm Plastikverpackungsmüll (Oceana). Startups wie Repack, Returnity und Living Packets bieten wiederverwendbare Verpackungen für den Online Versand an und versuchen so, dem wachsenden Berg an Verpackungsmüll zu begegnen. Das Startup Woola nutzt Schafwollreste als Ersatz für Luftpolsterfolie und hat erst im Dezember 2021 eine 2,8 Millionen USD Seed-Runde eingesammelt. Doch nicht nur unser Onlineshopping Verhalten, sondern auch tägliche Routinen wie der morgendliche Kaffee auf dem Weg ins Büro beanspruchen erhebliche Mengen an Ressourcen. Alleine in Berlin werden täglich 460.000 Coffee-to-go Becher verbraucht (BMU). Notpla, ein aus Algen und Pflanzen hergestelltes Material, welches innerhalb von vier bis sechs Wochen biologisch abgebaut wird, kann u. a. Einweggeschirr und Verpackungen für Lebensmittel ersetzen. Ganz unumstritten ist das aus Algen, Zuckerrohr oder Mais hergestellte Bioplastik allerdings nicht, da es oft aufwändige und ressourcenintensive Herstellungsprozesse benötigt und sich unter den aktuellen Bedingungen schwer recyceln lässt.
4. Erhöhte Produktnutzung
Wer von uns hat nicht noch ein altes Smartphone in der Schublade liegen? Die Deutschen bunkern mehr als 200 Millionen ausrangierte Handys – denn durchschnittlich alle zwei Jahre muss ein neues Gerät her (Statista). Sharing Konzepte und Rental Lösungen können die Nutzung von Produkten allerdings deutlich erhöhen. Startups wie Grover oder Everphone bieten beispielsweise Laptops, Smartphones und mittlerweile sogar Drohnen im Mietmodell an. Laut Everphone verdoppelt sich so die Nutzungsdauer der Geräte. Auch Wiederverkauf verlängert die Produktnutzung: Vestiaire Collective ermöglicht auf seinem Secondhand-Online-Marktplatz beispielsweise den An- und Verkauf gebrauchter Premium- und Luxusartikel und sammelte im März 2021 ganze 216 Millionen USD Risikokapital ein.
5. Maximierung der Lebensspanne von Produkten
Wir leben heutzutage in einer Wegwerfgesellschaft. Der Neukauf eines Produktes ist häufig leider günstiger als seine Reparatur. Funktionale Obsoleszenz (z.B. der Mangel an Updates) oder fest verbaute Akkus treiben uns zu Neukäufen. Doch es geht auch anders: Refurbed bietet wiederaufbereitete Elektronik mit mindestens 12 Monaten Garantie und Preisen bis zu 40 % günstiger als die Neuanschaffung. Predictive Maintenance Software wie von Twaice kann z. B. Autobatterien überwachen und analysieren und so ihren Lebenszyklus maximieren. Doch nicht nur der Lebenszyklus von elektronischen Geräten kann verlängert werden: Apeel Sciences hilft mit einer geschmacks- und geruchsneutralen Schicht auf Gemüse und Obst, die Haltbarkeit zu verdoppeln, indem der Verlust von Wasser und das Eindringen von Sauerstoff verhindert wird.
6. Wiederverwendung von Materialien
Wenn Produkte wirklich ausgedient haben und keine Reparatur mehr möglich ist, endet der Produktlebenszyklus jedoch noch keineswegs. Denn die Möglichkeiten der Weiterverarbeitung von scheinbarem Müll sind divers: Das holländische Startup PeelPioneers extrahiert aus Orangenschalenabfällen ätherische Öle, welche wiederum von anderen Unternehmen für Lebensmittel und Reinigungsprodukte weiterverarbeitet werden. Orange Fiber stellt aus den Abfällen der Zitrusindustrie sogar Substitute für Baumwolle her. Etwa 40 % der Treibhausgasemissionen, welche bei der Herstellung eines Elektroautos entstehen, gehen auf die Batteriefertigung zurück. Der E-Boom könnte in den nächsten Jahren zu einem erheblichen Problem mit Batterieschrott werden. Li-Cycle hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, Lithium-Ionen-Batterien zu recyceln, indem mindestens 95 % aller Materialien zurückgewonnen werden.
Etablierte Konzerne unter Zugzwang
Recycling Programme wie das “Garment Collecting Program” von H&M, bei dem Kunden für eine Kleiderspende einen 15% Gutschein für den Erwerb neuer Kleidung bekommen, sind mittlerweile Standard und mehr Alibi als wirkungsvoller Impact. Zu oft liegt der Fokus auf Strategien am unteren Ende der Circularity Hierarchie (Recycling) und End-of-Life Management Strategien anstatt auf einer signifikanten Veränderung des Geschäftsmodells. Doch Konzerne weiten langsam ihre Aktivitäten auf andere Bereiche des Produktlebenszyklus aus: Zalando launchte mit “Zalando Zircle” seine eigene Plattform für “pre-owned fashion”, testet derzeit einen Online Reparaturservice und kreierte zudem eine Kollektion mit integrierten Produktpässen, welche Aufschluss über Materialien, Pflegehinweise und Wiederverwendungsoptionen geben. Adidas stellte 2015 gemeinsam mit der Umweltschutzorganisation Parley den ersten Sneaker aus Ozeanplastik vor und testet derzeit einen Laufschuh, welcher auf komplexe Materialmischungen und Komponentenverklebungen verzichtet und vollständig recyclebar ist.
Hinzu kommt, dass Konzerne zunehmend in Circular Economy Startups investieren, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen: So beteiligte sich beispielsweise Samsung NEXT, der VC Arm des Elektronikgiganten, an der 42 Millionen USD Series A Runde von Grover. Laut eigener Angabe erfolgt dies als Reaktion auf veränderte Konsumentenpräferenzen (“Access over Ownership”). Mehr und mehr Corporates schließen sich zudem zu industrieübergreifenden Initiativen zusammen: So sammelte 2019 der Circulate Capital Ocean Fund insgesamt 106 Millionen USD an Kapital von Unternehmen wie PepsiCo, Chanel, Procter & Gamble, Unilever und Coca-Cola ein. Der Fonds soll innovative Projekte und Firmen unterstützen, welche sich für die Reduzierung von Plastikabfällen im Meer einsetzen.
Diskrepanz zwischen Investitionsaktivitäten und Impact Potential
Insgesamt ist die zunehmende Investitionsaktivität in der Kreislaufwirtschaft zu begrüßen. Fraglich ist, ob das Kapital in die richtigen Bereiche fließt und dort ansetzt, wo der Impact am größten ist. Um diese Frage zu beantworten, fokussieren wir uns auf die Bekleidungsindustrie. Mit 92 Millionen Tonnen Abfällen weltweit trägt unser Bekleidungskonsum signifikant zum Müllaufkommen bei (Boston Consulting Group, Global Fashion Agenda), zudem werden aktuell nur 1 % der gesammelten Kleider zu neuer Kleidung mit vergleichbarer Qualität verarbeitet (sogenanntes “Closed Loop Recycling”) (Ellen MacArthur Foundation). Circa 4 % der globalen Treibhausgasemissionen sind auf die Bekleidungsindustrie zurückzuführen, was etwa 2.106 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen entspricht (McKinsey & Company, Global Fashion Agenda). Mikroplastik, Erdöl- und Wasserverbrauch, der Einsatz von Chemikalien sowie schlechte Arbeitsbedingungen kommen noch hinzu. Unterteilt man die seit 2012 in Startups investieren Venture-Capital Ströme in die unterschiedlichen Phasen des Produktlebenszyklus, wird ein Ungleichgewicht deutlich: Während ca. 70 % der Emissionen aus sogenannten “Upstream Activities” stammen, also der Produktion und Weiterverarbeitung von Rohmaterialien, werden nur ca. 23 % des Venture Capitals hier rein investiert. Dahingegen sammelten Startups, welche sich auf die Produktlebensphase der Nutzung fokussieren, mehr als 50 % des Risikokapitals ein. Während es durchaus erstrebenswert ist, den Konsum neuer Produkte beispielsweise durch Sharing Konzepte zu vermeiden, ist es jedoch auch essentiell, aus welchen Materialien und unter welchen Bedingungen diese Produkte hergestellt werden. Derzeit besteht unsere Kleidung noch zu über 50 % aus Polyester, der Anteil an biobasiertem Polyester liegt bei weniger als 1 % (Textile Exchange). Deswegen sollte früher im Produktlebenszyklus angesetzt werden und mehr Wagniskapital in die Erforschung neuer Materialien und alternativer, ressourcensparender Herstellungsverfahren fließen. Auch die Tatsache, dass fast 22 % des Risikokapitals in End of Use Startups investiert wurden, verdeutlicht nochmals, dass derzeitige Investitionen zu weit unten in der Circularity Hierarchie ansetzten. Die Ursachen für diese Diskrepanz zwischen Investition und Impact sind vielfältig: Zum einen benötigen neue Materialien einen hohen Forschungsaufwand, welcher sich möglicherweise erst nach einigen Jahren rentiert. Zum anderen sind Product as a Service oder Secondhand Plattformen skalierbarer und dadurch, dass sie einen direkten Kundenkontakt haben, auch medienwirksamer. Wir glauben, dass mit zunehmender Regulierung von Einwegprodukten und synthetischen Zusatzstoffen auch die Attraktivität von alternativen Materialien und Produktionsprozessen als Investition steigt.
Ausblick: Wie schließen wir die “Circularity Gap”?
Eine Kreislaufwirtschaft ist nicht nur angesichts der ökologischen Auswirkungen erstrebenswert, sie bietet langfristig auch große Kosteneinsparpotenziale und eine stärkere Unabhängigkeit von Rohstoffimporten. Deren Wichtigkeit wurde uns angesichts der derzeitigen Rohstoffmängel aktuell bitter vor Augen geführt. Die Adoption zirkulärer Prinzipien kann so also auch die Resilienz von Unternehmen verbessern. Zudem wird geschätzt, dass eine Circular Economy eine zusätzliche Wirtschaftsleistung in Höhe von 4,5 Billionen USD bis 2030 erbringen kann (Accenture). Aktuell sind allerdings nur 8,6 % der Weltwirtschaft zirkulär, es besteht also erheblicher Aufholbedarf (Circularity Gap Reporting Initiative).
Startups können als wichtige Impulsgeber für kreislauffähige Innovationen und neue Geschäftsmodelle dienen, um die “Circularity Gap” zu schließen. Sie sind anpassungsfähiger und haben weniger Legacy, sodass sie direkt Strategien mit einem höheren Circularity Grad implementieren können, statt nur auf Recycling Programme zu setzen. Es ist ermutigend zu sehen, dass auch Konzerne auf Druck von Investoren und Verbrauchern ihre linearen Modelle überdenken und beispielsweise mit Startups zum Aufbau von Sharing Plattformen zusammenarbeiten. Die Aktivitäten sollten dabei jedoch nicht nur auf medienwirksame Stufen des Produktlebenszyklus wie Recycling oder verlängerte Produktnutzung durch Wiederverkauf fokussiert werden, sondern auch die emissionsintensiven Stufen der Rohmaterialherstellung und -weiterverarbeitung berücksichtigen. Für Unternehmen wäre es ein erster Schritt, die größtmöglichen Impact-Hebel bei ihren Produkten zu identifizieren und etablierte Annahmen zu hinterfragen:
- Möchte mein Kunde das Produkt weiterhin besitzen oder käme auch ein Mietmodell infrage?
- Können Abfälle durch neue Fertigungsprozesse weiter reduziert werden oder wenn nicht, kann aus diesen möglicherweise ein neues Produkt geschaffen werden?
- Sind meine Produkte so designt, dass einzelne Teile problemlos ausgetauscht und repariert werden können?
Wir brauchen ein Umdenken in Bezug auf Produktdesign, Materialflüsse und -alternativen sowie Eigentum. Auch die Politik ist gefragt, indem z.B. bessere Strukturen für Reverse Logistics geschaffen werden, intelligentere Müllsortieranlagen die bessere Trennung von Materialien ermöglichen oder neue Regularien wie beispielsweise ein “Recht auf Reparatur” die Herstellung von langlebigen und reparierbaren Produkten incentivieren. Zuletzt haben auch Konsumenten die Aufgabe, die Motivation und den tatsächlichen Impact von Circularity Initiativen zu hinterfragen, beispielsweise wenn Fashion Recycling Programme mit Gutscheinen zu neuem Konsum verleiten.
Nachdem in diesem Artikel Circular Economy Startups und ihre Ansätze für eine kreislauffähige Wirtschaft beleuchtet wurden, wird sich meine Kollegin Lena Bödeker in Kürze gesetzlichen Neuerungen in dem Bereich wie beispielsweise dem seit Januar 2022 geltenden Verbot von Einweg-Plastiktüten im Einzelhandel widmen. Zudem wird sie aufzeigen, wie die oben erwähnten kreislauffähigen Geschäftsmodelle konkret umgesetzt werden können und wie man ein Circular Venture aufbaut.